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Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift

Titel: Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt , luebbe digital
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kann beruhigt schlafen.«
    Frau Scholdt sank zurück, schmatzte noch zweimal mit den trockenen Lippen und fiel wieder in einen unruhigen Schlaf. Gesa beobachtete sie misstrauisch, doch als Frau Scholdt wieder leise Schnarchgeräusche von sich gab, atmete sie erleichtert aus.
    Zum Glück hatte Frau Scholdt zurzeit ein Einzelzimmer und somit niemanden geweckt. Sie hatte mit ihrer ewigen Mutti-Litanei die ehemalige Zimmergenossin, eine der wenigen, die noch klar im Kopf waren, fast wahnsinnig gemacht. Irgendwann war Frau Scholdt von der anderen einmal ein Buch an den Kopf geworfen worden. Außer einer kleinen Beule war »Mutti« nichts passiert, aber man hatte die leidgeprüfte andere Frau in ein Zimmer verlegt zu einer Dame, die gar nichts mehr sagen konnte. Es sollte wohl eine Strafe sein, aber Gesa fand, es sei unzweifelhaft eine Verbesserung für sie. Mit wachem Verstand unter Schwachsinnigen, dann doch lieber eine richtige Demenz und Ruhe.
    Noch drei Zimmer.
    Die Männer schienen tiefer zu schlafen. Gesa lauschte auf ihre regelmäßigen Atemgeräusche und atmete den herben Geruch, den sie im Schlaf verströmten. Bei Kurt Hentschel musste sie den Katheter überprüfen. Er lag im Dämmerlicht wie aufgebahrt, und Gesa hätte ihm gern die Hände anders hingelegt, die er vor seiner Brust gekreuzt hatte. Das muss den Tod ja anlocken,dachte sie kopfschüttelnd. Oder war es Absicht, was hielt Kurt Hentschel denn noch hier?
    Als sie den Raum gerade wieder verlassen wollte, sah sie die Medikamentenschale auf dem Nachttisch von Alfred Heck. Verdammt, vorhin war ihr gar nicht aufgefallen, dass noch drei große, ovale Kapseln darin lagen! Heck musste vorhin wohl vergessen haben, sie einzunehmen. Ob das schlimm war?
    Alfred Heck lag so ruhig da, dass sich Gesa verpflichtet fühlte, nach ihm zu sehen. Sie ging leise auf sein Bett zu und starrte auf die reglose Gestalt. Kein Atemgeräusch, nicht das geringste Lebenszeichen. Ihr Herz klopfte hart in ihrer schmalen Brust. Die Vorhänge waren zugezogen, aber sie wagte nicht, Licht zu machen, weil sie die anderen Patienten im Raum nicht wecken wollte. Draußen rüttelte der Wind an den Zweigen der Bäume und einer klopfte und kratzte regelmäßig gegen das Fenster. Oder war es ihr stiller Freund, der Eckenhocker?
    War Heck tot? Obwohl Gesa schon ein paar Monate im Haus Waldesruh arbeitete, hatte sie noch nie einen ihrer Schützlinge tot auffinden müssen. Sie fürchtete sich vor dem Tag, an dem das passieren musste und noch mehr fürchtete sie, dass das während einer Nachtschicht geschehen könnte. So nah wollte sie ihrem stillen Begleiter, dem Sensenmann in der Ecke, gar nicht kommen. Er sollte seine Wahl an den Tagen treffen, an denen Gesa nicht zugegen war. War das heute ihr erstes Mal? War Alfred Heck in den letzten Stunden hier gestorben?
    Hilflos trat sie leise an das Kopfende heran und spähte auf die reglose Gestalt im Bett. Alfred Hecks Kopf lag überstreckt auf dem Kissen, sein Mund war halb geöffnet. Was war los mit ihm? Seine blasse, knotige Hand lag neben dem Kopfkissen.
    Schlief Heck oder war er tot?
    Gesa fühlte sich versucht einfach hinauszugehen, als hätte sie nichts bemerkt. Sie konnte es aber nicht, sie musste es wissen. Also berührte sie sacht mit dem Mittelfinger sein Handgelenk. Seine Haut fühlte sich kühl und trocken an, sie tastete keinen Puls ...
    Plötzlich packte er sie. Gesa meinte, ihr Herz würde vor Schreck einen Schlag aussetzen. Sie schnappte nach Luft und versuchte, ihre Hand wegzuziehen, doch er krallte sich darum wie ein Ertrinkender an eine Planke im Wasser.
    Alfred Heck hatte die Augen nun geöffnet und starrte sie mit zusammengekniffenen Lidern an.
    »Lassen Sie mich los. Ich wollte nur sehen, ob es Ihnen gut geht«, wisperte sie aufgeregt.
    »Meine Lieblingspflegerin, ich bin erfreut.«
    »Lassen Sie mein Handgelenk los. Sie tun mir weh.«
    »Was wolltest du hier, Prinzessin? Mich bestehlen?«
    »Nein. Lassen Sie los, oder ich hole Hilfe.«
    »Wen denn? Nachts seid ihr doch allein auf Station. Sparmaßnahmen ...« Ein boshaftes Lächeln verzog sein Gesicht, das umso grotesker wirkte, weil er nachts natürlich kein Gebiss trug. Er hatte noch genau zwei gelbliche Zahnstummel im Mund.
    »Überall wird gespart, ich kann es nicht ändern ...«
    »Ich wollte dir schon immer mal was sagen.« Er röchelte und richtete sich so weit wie möglich auf, um ihr näher zu kommen. Seine Hand krallte sich noch fester um ihr schmales Handgelenk, lange

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