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Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift

Titel: Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift
Autoren: Eva Almstädt , luebbe digital
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Hauswand lehnte.
    Die ehemalige Polizistin öffnete schon nach dem ersten, kurzen Läuten. Sie war eine schmale Frau in Tuchhose und einem dunkelroten Rollkragenpullover. Ihr Haar war kurz und grau, ihr Gesicht sah aus, als hätte jemand ihr die Luft ausgelassen, denn es wölbte sich nach innen und sah klein und zerknautscht aus. Ihre Stimme hörte sich rau an, als sie Broders und Pia begrüßte und in ihr Wohnzimmer geleitete.
    Sie deutete vage auf ein Dreiersofa von der Sorte, die man angeblich mit zwei Handgriffen in ein Doppelbett verwandeln konnte, und nahm selbst in einem Ohrensessel am Fenster Platz. Er wies eine tiefe Delle im Sitzbereich auf und zahllose Flecken auf den Armlehnen. Zu Füßen des Sessels lag ein Kissen voller Tierhaare, ebenfalls mit Mulde, der Größe nach zu urteilen für einen Hund von Schäferhundgröße. Der Raum roch ungelüftet und verqualmt, im Aschenbecher auf einem Beistelltisch neben dem Sessel glimmte eine halb aufgerauchte Zigarette vor sich hin.
    »Hätte auch der Doc sein können«, meinte Frau Tietge und nahm die Zigarette wieder zur Hand. »Wollte ihn nicht mit Zippe an der Tür begrüßen. Wäre aber sowieso egal ...«
    Sie rauchte ein paar Züge und musterte ihre Besucher durch einen Schleier aus Qualm. Broders hatte sich auf dem Sofa niedergelassen, Pia zog einen Stuhl vor.
    »Kommissar Wagner, der alte Quatschkopf, hat sich nicht sehr präzise ausgedrückt. Sie kommen her, um mich über einen früheren Fall auszuquetschen? Was versprechen Sie sich denn davon? Eine Art Cold Case , kein Opfer ist je vergessen, oder was?«
    Die Anspielung auf eine amerikanische Fernsehserie erheiterte sie selbst am meisten. Ihre Mundwinkel verzogen sich spöttisch nach oben und sie kicherte, was übergangslos in ein Husten mündete.
    »Wir ermitteln in Lübeck in einer Mordsache und einem Vermisstenfall. Die Vermisste haben Sie mal persönlich gekannt: Marlene Brinkmann hieß das Mädchen damals, sie war Zeugin in dem Vergewaltigungsfall Bauer 1982 ...«
    »Bauer, Bauer, Dorothea Bauer. Ich erinnere mich natürlich an den Fall Bauer. War meine große Zeit, wenn man so sagen darf ...«
    »Die Kollegen hier auf der Wache sind der Meinung, dass Sie gut über den Fall Bescheid wissen dürften. Sie haben viel mit dem Opfer gesprochen, nicht wahr?«
    »Ich war die einzige Frau dort, zu meiner Zeit. Aber ich war psychologisch nicht dafür ausgebildet, das Mädchen nach dem Schock wirklich so zu befragen, wie es richtig gewesen wäre. Die arme Kleine hat mir leid getan. Sie wollte nichts mit der Polizei zu tun haben und die Mutter im Grunde auch nicht. Das Kind war eh in den Brunnen gefallen, wie man so sagt. Aus deren Sicht gab es nichts mehr, was wir hätten tun können. Die glaubten von Anfang an nicht, dass wir den Vergewaltiger kriegen würden. Und wir haben ihn auch nicht bekommen.«
    »Wie liefen die Ermittlungen damals ab? Gab es verwertbare Spuren, konkrete Verdächtige?«
    »Die Spuren waren kaum noch verwertbar, das Mädchen hatte nach der Tat stundenlang in der Badewanne gesessen. Aber die Zeit war sowieso noch nicht reif dafür, aus den Spermaspuren DNA-Analysen zu erstellen, wie man es heute macht. Vielleicht hätte man technisch gesehen damals schon mehr gekonnt, aber es war noch nicht üblich. Der Täter trug Handschuhe und eine Gesichtsmaske, eine schwarze Sturmhaube. Dementsprechend konkret war die Täterbeschreibung, die wir rausgeben konnten.«
    »Wurde im Umfeld des Mädchens gesucht. Ich war vorhin im Wald. Dabei fiel mir auf, dass eine Verfolgung des Kindes für einen Fremden schwierig gewesen wäre. Wahrscheinlicher ist doch, dass er ihr irgendwo an der Lichtung aufgelauert hat. Er muss das Versteck der Kinder gekannt haben, er hat Dorothea Bauer und Marlene Brinkmann gekannt.«
    »Ja. Ganz blöde waren wir damals auch nicht. Vielleicht ziemlich blöde, aber nicht so, wie Sie denken.«
    »Wie kam es, dass er Dorothea Bauer erwischte und Marlene Brinkmann nicht?«
    »Marlene war oben im Baumhaus, als der Täter die Lichtung betrat, Dorothea war unten. Wir sind damals davon ausgegangen, dass er die Lichtung kannte, aber das Baumhaus vielleicht nicht. Andererseits«, sie zündete sich an der Glut der alten eine neue Zigarette an.
    »Ja?«
    »Marlene hätte zur Tatzeit eigentlich Klavierunterricht gehabt. Wenn der Täter das gewusst hat, dann ging er wahrscheinlich davon aus, dass nur Dorothea im Wald war, Marlene nicht. Die Existenz des Baumhauses kümmerte ihn nicht, weil er
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