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Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift

Titel: Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift
Autoren: Eva Almstädt , luebbe digital
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Marlene woanders vermutete.«
    »Warum war Marlene nicht beim Klavierunterricht?«
    »Sie schwänzte. Dummer Zufall, nicht? Es war ein schöner Sommertag, und sie wollte lieber spielen. So hieß es jedenfalls hinterher.«
    »Hatten Sie eine andere Vermutung?«
    »Damals hatten wir viele Vermutungen. Wir haben sämtliche Männer aus dem Umfeld der Kinder unter die Lupe genommen. Herr Brinkmann zum Beispiel hatte angeblich ein Elterngespräch mit der Mutter eines Schülers, als die Tat geschah. Wir haben wochenlang versucht, an diesem Alibi zu rütteln, weil die Mutter dieses Schülers so wirre Angaben bezüglich des Gesprächstermins machte. Überhaupt waren die Brinkmanns eher hinderlich für die Ermittlungen. Die haben ihre Tochter, eine wichtige Zeugin, ganz schön unter Verschluss gehalten. Sie wedelten mit einem ärztlichen Attest und ließen niemanden zu ihr, weil sie angeblich unter Schock stand. Unterdessen musste Dorothea Bauer schon zwei Tage später wieder zur Schule gehen ...«
    »Wie war das Verhältnis der beiden Mädchen vor und nach der Tat?«
    »Das war nicht unser Bier, tut mir leid.« Ihr Augenlid begann zu zucken, und sie presste ärgerlich einen Finger in den Augenwinkel.
    »Waren die Mädchen hinterher immer noch befreundet?«
    »Ich habe später noch mal mit Dorothea Bauer gesprochen. Sie wirkte sehr verschlossen auf mich. Ich glaube nicht, dass sie weiterhin mit Marlene Brinkmann Kontakt hatte. Hier im Ort war sie eine traurige Berühmtheit geworden und wurde immer etwas schief angesehen. Man sagte: ›Kein Wunder, bei der Mutter‹ und ähnliche Gemeinheiten. Das Letzte, was ich hörte, war, dass die Brinkmanns weggezogen waren, angeblich aus beruflichen Gründen. Die konnten das. Dorothea Bauer konnte es lange Zeit nicht.«
    Frau Tietge musterte Pia nachdenklich. Dann sagte sie: »Es bleibt immer etwas an einem haften, wenn man sich mit einem solchen Verbrechen auseinandersetzen muss. Niemand kann das so schnell abschütteln. Marlene Brinkmann ist verschwunden, sagen Sie? Und wer wurde ermordet?«
    »Sein Name ist Holger Michaelis. Er wohnte in Neustadt an der Ostsee. Man hat ihn mit einem Pflanzengift namens Aconitin vergiftet und von seinem Segelboot aus ins Wasser geworfen.«
    »Interessant«, sage Frau Tietge, »aber wo sehen Sie den Zusammenhang zu dem Fall Bauer?«
    »Marlene Liebig könnte sich mit auf dem Schiff befunden haben, als es passierte. Sie ist seitdem verschwunden.«
    »Dann ist sie wohl ebenfalls tot ...«
    »Vielleicht hält sie sich auch irgendwo versteckt.«
    Frau Tietge lächelte nachsichtig. »Wie lange sind Sie schon bei der Polizei, Frau Korittki? Mich interessiert natürlich, ob Sie Dorothea Bauer schon ausfindig gemacht haben? In Barsinghausen lebt sie nämlich schon lange nicht mehr. Wäre auch eine Zumutung ...«
    »Mit großer Wahrscheinlichkeit ja. Sie lebt jetzt in Lübeck und ist eine Arbeitskollegin von Marlene Liebig.«
    »Interessant«, sagte Frau Tietge erneut, und ihr Auge begann wieder zu zucken. »Ich würde gern mit ihr sprechen. Ihr sagen, was ich wirklich denke. Dass ich es zutiefst bedaure, dass wir nicht mehr für sie tun konnten damals. Wissen Sie, kurz vor dem eigenen Tod sucht man Sinn, wo es keinen gibt ...Sie sind jung, ich habe es bald hinter mir. Ein nervöser Tick, hat mein Hausarzt gesagt. Er hat versucht, das Zucken wegzuspritzen, den Nerv lahmzulegen. Als ob der je das Problem gewesen wäre. Neulich haben sie festgestellt, dass es eine Metastase ist, die fröhlich pulsiert. Ich habe Krebs. Voraussichtlich habe ich noch drei Monate, um mir über alte Fälle und Versäumnisse meine Gedanken zu machen.«
    »Meinen Sie, damals im Fall Bauer ist etwas versäumt worden?«
    Sie lachte krächzend auf. »Ich wusste, dass Sie das fragen würden. Seit der gute Herr Wagner hier anrief, habe ich genau darüber nachgegrübelt.«
    »Und?«
    »Die Antwort ist nein. Wir hätten uns damals auf den Kopf stellen können, und der Kerl, der die kleine Bauer vergewaltigt hat, den hätten wir trotzdem nicht zu fassen bekommen. Ich glaube, dass er immer noch hier herumläuft. Heute darf ich so etwas ungestraft sagen, obwohl ich es nicht beweisen kann. Es ist nie wieder etwas Derartiges hier passiert, aber was heißt das schon? Mancher schlägt vielleicht nur einmal in seinem Leben zu, und das war es dann. Vielleicht hat er sich ansonsten darauf beschränkt, Prostituierte zu schikanieren? Ich habe manchmal seine Nähe geradezu gefühlt, wenn ich im Wald in der
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