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Blaufeuer

Titel: Blaufeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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zu.
    »Janne, was für eine Überraschung«, sagt Friederike Reemts, als sie erkennt, wer für die Störung verantwortlich ist. »Ich wollte Sie schon so oft anrufen.«
    »Nun bin ich hier.«
    »Wie schön. Das freut mich aber.«
    Sie kommt auf Janne zu, um ihr die Hand zu schütteln. Ein langer Händedruck. Sofort hat Janne das Gefühl, Zeit zu verschwenden. Aber sie zwingt sich zu einem Lächeln.
    Fünf Minuten später sitzen sie einander in dem halb fertiggestellten Stuhlkreis gegenüber, jede einen Becher Früchtetee in der Hand.
    »Jetzt ist die Luft wieder schön frisch«, sagt Friederike Reemts.
    Janne nickt. Inzwischen hat sie nicht mehr das Gefühl, die Pastorin würde sie nicht mögen. Vielmehr scheint ihre Anwesenheit sie nervös zu machen. Würde sie sonst ständig ihre dunkelblonden Haare ordnen, die sie zum Zopf geflochten trägt?
    »Warum wollten Sie mich eigentlich anrufen?«, fragt Janne.
    »Wegen des Engagements Ihres Vaters für unsere Hilfsaktionen für aidskranke Kinder in St. Petersburg. Da Sie ja nun in PaulsFußstapfen treten, dachte ich, Sie hätten vielleicht Interesse daran, seine ehrenamtlichen Aufgaben gleich mit zu übernehmen.«
    Paul? Etwas an der Art, wie die Pastorin den Namen ihres Vaters ausspricht, lässt Janne aufhorchen. Dass er ehrenamtlich für die Russlandhilfe gearbeitet hat, ist ihr neu, doch das braucht Friederike Reemts nicht zu wissen.
    »Ich werde darüber nachdenken«, verspricht sie.
    »Das ist schön«, flötet die Pastorin. Mit extra langem Ö.
    Janne trinkt einen großen Schluck Früchtetee. »Haben Sie ein Verhältnis mit meinem Vater?«, fragt sie, worauf Friederike Reemts sich fürchterlich verschluckt. Sie hustet so heftig, dass ihr mit rotem Früchtetee vermischter Rotz aus der Nase läuft. Janne wertet das als Ja. Das würde auch seine unerwartete Hinwendung zum Christentum erklären.
    »Ich will keine Details hören, ich möchte nur wissen, wie gut Sie meinen Vater kennen«, sagt sie.
    »Ziemlich gut. Wir stehen uns sehr nahe«, japst die Pastorin.
    »Okay. Dann können Sie mir bestimmt einige Fragen über ihn beantworten.«
    »Das darf ich nicht. Ich stehe unter Schweigepflicht. Ich riskiere meinen Job.«
    »Tun Sie das nicht auch, wenn Sie mit einem verheirateten Mitglied Ihrer Gemeinde ins Bett gehen? Haben Sie eigentlich Familie?«, fragt Janne kalt.
    Damit sind die Fronten geklärt.
     
    Wie sich schnell zeigt, weiß Friederike Reemts wirklich gut über Paul Fleckers Leben Bescheid. Etliches hat er ihr gebeichtet, die zahlreichen Affären, die wahre Herkunft seiner angeblichen Adoptivtochter, die gescheiterte Schmugglerkarriere sowie diverse Jugendsünden, von denen Janne bislang nichts in Erfahrung gebracht hatte - vom Schrottplatzdiebstahl bis zum illegalen Autorennen.Es ist ernüchternd. Viele Wege hätte sie sich sparen können, hätte sie sofort mit der Pastorin geredet. Andererseits hätte die sie mit Sicherheit aus dem Sitzkreis gejagt, und damals war Janne noch ein Mensch, der sich so etwas gefallen ließ. Damals. Vor zwei Monaten.
    »Was können Sie mir über den Untergang der Tyne berichten?«, fragt Janne.
    »Was für ein Untergang?« Friederike Reemts legt die Stirn in Falten, als hörte sie den Namen zum ersten Mal. »Geht es um ein Schiff?«
    »Egal. Vergessen Sie die Frage. Reden wir über die Jahre, die mein Vater in Hamburg verbracht hat. Hat er davon gesprochen?«
    »Ziemlich oft.«
    »Dann lassen Sie mal hören.«
    So schließt sich der Kreis. Friederike Reemts versteht sich aufs anschauliche Erzählen. Janne lehnt sich zurück und lässt sich berieseln. Paul Flecker als Arbeiter einer Naturdarm-Sortieranlage. Harte Arbeit, mieser Lohn. Dann kam die große Chance, als Vertretung für den Chauffeur des Geschäftsführers einzuspringen.
    »Er musste einen afghanischen Geschäftspartner seines Chefs vom Flughafen abholen. Das war der Tag, an dem das Blatt sich gewendet hat«, sagt Friederike Reemts und blickt zur Decke, als wartete sie auf einen Trommelwirbel oder einen Tusch.
    »Inwiefern?«, will Janne wissen.
    »Irgendwie gelang es Paul, diesen fremden Mann sofort für sich einzunehmen. Während einer einzigen Fahrt vom Hamburger Flughafen in die Innenstadt. Er war ein mächtiger und schwerreicher Stammesfürst, der bereits zwölf Söhne hatte, aber in Paul entdeckte er einen dreizehnten. Und Paul fand in ihm endlich den Vater, den er nie gehabt hat. Ist das nicht schön?«
    »Wunderschön. Wie ging es weiter?«
    »Er lud Paul nach

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