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Blaufeuer

Titel: Blaufeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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unverkennbar der Triumph auf ihrem sonst so edlen Gesicht. Beschämend auch das. Er wird Viktoria ebenfalls zur Rede stellen, und zwar noch heute Nacht. Was soll aus dieser Familie werden, wenn sie anfangen, einander so sehr zu misstrauen?
    Paul Flecker lässt sich das dritte Kännchen Kaffee bringen. Nach diversen Matjes-auf-Schwarzbrot-Happen greift er nun zum Butterkuchen. Er isst schnell. Die Tischgespräche konzentrieren sich auf Erik: Die Legendenbildung hat bereits begonnen und wird ihm doch nie gerecht werden. Die Welt hat diesem Jungen zu Füßen gelegen. Und im Gegensatz zu seinem Vater hätte Erik sich nie die Hände schmutzig machen müssen, um seine Ziele zu erreichen. Paul Flecker hat ihn nie mit den alten Geschichten belastet. Bloß die Sache mit der Yacht Tyne konnte er nicht für sich behalten.
    Paul Flecker beteiligt sich nicht an der Unterhaltung, aber es tut ihm gut zu hören, wie alle mit so viel Wärme von seinem Sohn reden. Dass der Mörder gefasst wird, dafür wird er wohl selbst sorgen müssen - die Herren von der Kripo sind offensichtlich überfordert, wie zu erwarten war. Inkompetentes Pack.
    Während die Stimmung am Tisch zunehmend gelöster wird, steigert sich Paul Flecker in einen blindwütigen Zorn auf die Polizei, ihm wird ganz schwindelig davon, und er muss sich alle Mühe geben, nicht direkt hier aus der Haut zu fahren, sondern damit zu warten, bis er den richtigen Mann an der Strippe hat.
    Viktoria legt ihm eine Hand auf den Oberschenkel. »Fühlst du dich nicht wohl, Paul? Vielleicht solltest du kurz an die frische Luft«, flüstert sie. Ihr Atem kriecht unerträglich heiß in sein Ohr.
    »Mir geht es gut«, sagt er, obschon er seit Stunden schwitzt wie ein Schwein, aber das ist ja kein Wunder bei der verdammten Hitze. Ein bisschen übel ist ihm auch, er muss wirklich weniger essen. Um seiner Frau und sich selbst zu beweisen, dass kein Grund zur Sorge besteht, greift er energisch nach der Kaffeetasse. Doch zum Trinken kommt er nicht.
    »Paul, was machst du denn da? Pass auf, die Tasse. Paul, was ist los? Antworte mir.«
    Ihre Stimme klingt schrill, und zum zweiten Mal an diesem Nachmittag verzerren sich ihre feinen Züge zu einer Fratze, einer panischen jetzt, und auch das stachelt seinen Zorn an: Seine Frau hat gefälligst schön auszusehen, zum Teufel noch mal. Wo soll man sonst hinschauen bei dem ganzen Elend auf der Welt, wenn nicht mal mehr die schönen Frauen schön aussehen?
    »Mir geht es gut«, wiederholt er unwirsch, doch so, wie Viktoria ihn anstarrt, hat er nicht das Gefühl, dass sie ihm glaubt, und von einer Sekunde zur nächsten schämt er sich seiner rabiaten Gedanken und ist erfüllt von Sorge um sie. Etwas stimmt nicht mit ihr, sie ist am Ende ihrer Kräfte, befindet sich kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Er muss sich um sie kümmern. Sie braucht ihn so sehr.
    Plötzlich taucht Meinhard neben seinem Stuhl auf, und er und Viktoria beugen sich über ihn. Sie fummelt an seinerKrawatte herum, wieder streift ihn ihr unnatürlich heißer Atem, Meinhard macht sich an seinem Hals zu schaffen und legt eine Hand auf seine Stirn. Also, das geht nun wirklich zu weit.
    »Hör sofort damit auf, und tue etwas für deine Mutter«, herrscht er seinen Sohn an, aber der gehorcht nicht, sondern fängt an, ihn vom Stuhl zu hieven. Auf der weißen Tischdecke vor ihm hat sich ein Kaffeefleck ausgebreitet. Meinhard, dieser Trottel.
    Dann liegt Paul Flecker schweißnass auf dem Parkett, und unter den Gesichtern, die über ihm schweben, fehlt das von Viktoria. Wo ist sie nur? Er ist gelähmt vor Verzweiflung. Merken die denn nicht, dass sie den Falschen umsorgen? Viktoria ist diejenige, die Hilfe braucht. Sicher, er ist leicht geschwächt, und irgendwie hört er schlecht, nimmt all die Stimmen nur noch als Dröhnen war, aber er hat keinerlei Schmerzen, und er weiß, es geht ihm gut.

Wasser gewinnt immer
    JANNE
    Im Warteraum der Intensivstation ist es kühl, und der Mantel erweist sich als nützlich. Hella würde in ihrem Kleidchen jetzt frieren. Ob es im Gefängnis kalt ist? Janne und Nils tauschen ein Lächeln aus, das nicht viel ausrichten kann gegen die Trostlosigkeit des Wartens. Sie findet es nett, dass er mitgekommen ist. So ist er eben: schwer zu vergraulen. Auch Friederike Reemts hat sich der Familie angeschlossen, was Janne irritiert. Denn sie sind alle nicht besonders religiös. Anscheinend hält die Pastorin es trotzdem für ihre Pflicht, ihnen zur Seite zu stehen. Sie reden

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