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Blaufeuer

Titel: Blaufeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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mit beiden Händen durchs Haar. »Janne, tut mir leid, ich wollte es dir letztens sagen, aber dann ist Erik gestorben und ...«
    »Wie bitte? Du hattest schon vor Eriks Tod eine Freundin und hast mir nie davon erzählt?«
    »Naja, so lange sind wir noch nicht zusammen. Vier Monate.«
    Janne steht da, als wäre sie versteinert. »Wo ist sie?«
    Wie auf Stichwort erscheint das Webpelz-Frauchen in der Schlafzimmertür. Abgesehen von dem wenig überzeugenden Lächeln, das schief in ihrem Gesicht klebt, sieht sie nett aus: groß, schlank, lange dunkle Haare, sie könnte Italienerin sein. Ordinäre Lippen, ein breiter Mund. Sie trägt ein Sweatshirt von Nils, sehr enge Bluejeans und ist barfuß.
    »Janne, das ist Amanda. Amanda - Janne.«
    Sie reichen einander die Hände.
    »Freut mich, dich kennenzulernen«, sagt Amanda.
    »Und mich erst.«
    Nachdem die Begrüßung überstanden ist, entspannt sich Nils merklich. »Komm doch erst mal ins Wohnzimmer. Wie war die Fahrt?«
    »Mies.«
    »Du Ärmste, die Autobahn ist total ätzend. Deswegen fahre ich lieber Bahn. Willst du etwas trinken? Oder hast du Hunger?«, fragt Amanda, und ihr Lächeln nimmt beängstigende Ausmaße an.
    »Nein danke, ich wollte nur einige Sachen abholen.«
    »Also, wenn du in Eile bist, wollen wir dich nicht aufhalten«, sagt Nils, und Janne erkennt, dass die Situation für ihn trotz aller Peinlichkeit einen triumphalen Beigeschmack entfaltet. Er geht voraus in Jannes Musikzimmer, wo sie ihre Noten und weitere Violinen aufbewahrt. Neben dem Klavier, das ebenfalls ihr gehört, stehen mehrere Umzugskartons auf den Holzdielen. Sie öffnet einen davon: Sommerkleider. Im nächsten befinden sich Bücher, in einem anderen ihr Teegeschirr und so weiter. Alle sind randvoll mit ihrem Hab und Gut.
    »Du hast angefangen, mich abzuwickeln«, stellt sie fest.
    »Mach dich nicht lächerlich. Du bist diejenige, die weggezogen ist. Eigentlich wollte ich dir den Kram vorbeibringen, aber ...« Er stockt, als er sieht, wie schockiert sie ist. »Alles in Ordnung?«
    »Nein, Nils. Absolut nichts ist in Ordnung. Was ich nicht verstehe, ist deine Empörung neulich am Strand, als du erfahren hast, dass ich in Cuxhaven bleibe.«
    »Was hat das damit zu tun? Auch wenn ich mit Amanda zusammen bin, wollte ich einfach nicht, dass du ausziehst.«
    »Ich glaub dir kein Wort.«
    Ohne anzuklopfen, huscht Amanda ins Zimmer und bietet ihre Hilfe beim Tragen an. Nils' Sweatshirt mit dem Harvard-Wappen steht ihr gut, sie trägt es mit dem gleichen Stolz, mit dem manche Frauen ihren Freundinnen Verlobungsringe präsentieren. Sicher findet sie seine Fürsorge niemals erdrückend, sondern zahlt sie mit gleicher Münze zurück.
    »Ich bringe schon mal was nach unten«, sagt Amanda und greift nach einem Geigenkoffer.
    Ausgerechnet. »Lass die Finger davon und verzieh dich, Süße«, sagt Janne. Sie bereut es sofort.
    »Kein Problem«, erwidert Amanda milde und verlässt mit federnden Schritten den Raum.
    »Musste das sein?« Nils macht keine Anstalten, seiner Freundin zu folgen, sondern baut sich vor Janne auf: »Wieso beleidigst du sie?«
    »Entschuldigung. Das ist mir rausgerutscht. Ich musste gerade an Elfie denken und an das Schlechte im Menschen. Und schrei mich gefälligst nicht an.«
    Nils mäßigt seinen Ton. »Wer ist Elfie?«
    »Das geht dich nichts an.«
     
    Janne und Nils tragen die Kartons zum Auto. Da Janne den Geländewagen ihrer Mutter ausgeliehen hat, können sie alles gut verstauen. Sie bedauert, dass ihre Möbel und Teppiche in der Wohnung zurückbleiben müssen. Unter Amandas nackten Füßen.
    »Ich werde nächste Woche ein Umzugsunternehmen beauftragen, den Rest abzuholen.« »Wie du willst.«
    Sie stehen auf dem Bürgersteig im gelben Licht der Straßenlaterne, die Nils bei ihrem Einzug mit dem Lieferwagen gerammt hat. Seither neigt sie sich ein wenig zur Seite.
    »Bist du echt nur wegen der Sachen gekommen?«
    Janne zögert.
    »Komm, wir gehen irgendwohin und reden.« Seine Wut ist schnell verraucht. So geht es ihm immer bei ihr. Das hat sie oft ausgenutzt.
    »Nein, Nils. Ich fahre jetzt.«
     
    Eine Raststätte in Brandenburg. Es geht auf Mitternacht zu, und es herrscht nicht viel Betrieb. An der Bar wird italienischer Espresso serviert, der nicht anders schmeckt als in Rom oder Florenz. Die Bedienung ist freundlich. Janne wäre froh, wenn Kaffee und Kellnerin mehr Angriffsfläche bieten würden. Dannwüsste sie wohin mit ihrer Wut, die sie wie eine Sturmflut überrollt.

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