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Blaulicht

Blaulicht

Titel: Blaulicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nacke
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unter anderem diese ganz bemerkenswerte Eigenart der tschechischen Mentalität, sich selbst in unbequemen Situationen auf die wesentlichen Dinge des Lebens konzentrieren zu können und ganz bei sich zu bleiben, die sie so sehr von der deutschen unterscheidet. Und es ist genau das, was Gloßner im Regelfall auch ungemein bewundert, aber dies ist kein Regelfall: Hier geht es um seine geliebte DS! Beim letzten Mal, als er ganz dringend eine Reparatur brauchte, hatte er die zwar schnell und günstig bekommen, doch hatte ihn im Gegenzug sein Autoschrauber, Gregor Herrmann, einen ganzen Nachmittag lang Hundesitter für drei reinrassige japanische Fellhaufen spielen lassen, die einer gewissen Kürbistante gehören – die Kollegen von Gloßners Dienststelle in Fürth ziehen ihn noch heute damit auf. Aber so ist das nun mal im Leben – kein Geschäft ohne Gegengeschäft! Deshalb reicht er Vašek jetzt auch ein Zigarillo nebst Feuerzeug.
    »Also, wie weit noch?«
    »Nicht mehr weit«, Vašek inhaliert den Rauch mit sichtlichem Genuss, »noch drei Kilometer, dann stoßen wir auf die Straße nach Rybník, von da geht es weiter nach Hostouˇn über Štitary und Tasnovice und   mýrnixtýrnix   sind wir im   Modré Opice , im   Blauen Affen   in Srby, kurz vor Horšovský Týn. Noch Viertelstunde, zwanzig Minuten vielleicht.«
    Tatsächlich werden die Klonks und Tacks auf dem Blech des Unterbodens bald weniger, und noch bevor Gloßner den Gedanken über einen willkürlich blödelnden Gott, der die Tschechen mit einer für Nichttschechen vollkommen unaussprechlichen Sprache gesegnet oder geschlagen hat, zu Ende denken kann, rollt die DS wieder auf relativ normalem Untergrund. Die schmale Straße, rechts und links von knorrigen Eichen, Kastanien und Pappeln gesäumt, führt jetzt durch eine weite, hügelige Landschaft, die offenbar seit Jahrzehnten von Flurbereinigungen verschont geblieben ist, und zum ersten Mal seit ihrem Start in Schönsee entspannt sich Gloßners Gesicht ein wenig. Großartig, wie weich sich die Kiste in die Kurven legt – für genau so eine Gegend wurde sie gebaut! Jetzt noch Kascha auf dem Beifahrersitz, ein bisschen Musette-Musik, ein schöner Wein, ein leckerer Käse – o là là, so ließe es sich leben!
    »Vašek, was ist das? Meinen die uns?«
    »Sieht ganz so aus, Sigi.«
    Unmittelbar nach einer Hügelkuppe und in Sichtweite des Ortsschilds von Rybník leuchtet ihnen ein Blaulicht auf einem Wagendach sowie eine ausgestreckte Kelle entgegen.
    »Und was wollen die von uns?« Gloßners Miene hat sich schlagartig wieder verdunkelt.
    »Keine Ahnung. Alkoholkontrolle wahrscheinlich. Ist Wochenende, ist Fußball. Und du hast ein deutsches Kennzeichen.«
    »Nacheile!« knurrt Gloßner noch einmal in seinen nicht vorhandenen Bart, bevor er seinen Citroën gleich hinter dem tschechischen Einsatzfahrzeug zum Stehen gebracht hat, »so wird das nix mit Nacheile!« Vor seinem inneren Auge sieht er sich und Vašek bereits die Nacht in einer als Scheune getarnten Ausnüchterungszelle irgendwo in der westböhmischen Pampa verbringen. Die Tschechen sind in dieser Hinsicht gnadenlos: null Promille hinterm Steuer, und er hatte eine Halbe beim Lindauer Wirt und dann noch den verdammten Fernet, den Vašek ihm aufgenötigt hatte.
    Die beiden Beamten, die sich dem Wagen nähern, machen den Eindruck, als hätten sie noch nicht mitbekommen, dass sich der Eiserne Vorhang schon vor mehr als zwanzig Jahren gehoben hat. Nein, hier droht keine Ausnüchterungszelle, hier droht der Gulag! Mannhaft und schicksalsergeben hat Gloßner den Arm mit den Fahrzeugpapieren aus dem Fenster gestreckt, darauf gefasst, jeden Moment das Schnappen der Handschellen zu hören, aber statt eines metallischen   Klicks , eines endgültigen   Ratsch   hört er von der Beifahrerseite freundschaftliches Schulterklopfen, lautes Lachen und eine Wörterflut aus vielen   jak ,   tak   und   dobˇre . Gleich darauf reißt Vašek die Fahrertür auf und bittet ihn auszusteigen.
    »Sigi, schau mal! Das sind zwei alte Kollegen von früher – Pavel und Marek!«
    Gloßner schaut, schüttelt Hände, grinst gequält.
    »Sag mal, hast du was dagegen, wenn Marek die Hydraulik ausprobiert?«
    Einer der beiden Beamten, offenbar Marek, der gerade noch aufgetreten war wie ein Büttel der KSˇC, strahlt jetzt wie Pan Tau, kurz bevor er sich an den Hut tippt, und tätschelt liebevoll die Motorhaube des Wagens. Nein, Gloßner hat nichts dagegen, schaut sogar nach

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