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Blaulicht

Blaulicht

Titel: Blaulicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nacke
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wieder geschrien, dass sie sofort hier raus müsse und begonnen, sich selbst zu verletzen, indem sie ihren Kopf gegen die Wand schlug. Die Schwester war verständlicherweise vollkommen schockiert, obwohl sie schon seit vielen Jahren in der Psychiatrie arbeitet, und hat Frau Kovács mit Hilfe eines Pflegers erst einmal ans Bett fixiert, bevor sie mich über den Vorfall informierte.«
    »Was war das für eine   kleine Bemerkung ?« will Kascha wissen.
    »Sie wollte die junge Frau aufmuntern und hat ihr erzählt, dass es ihrem ehemaligen Lehrer den Umständen entsprechend gut geht und er auf jeden Fall wieder gesund wird. Natürlich hat sie sich nach dieser Reaktion bittere Vorwürfe gemacht, aber wie gesagt, sie hatte es nur gut gemeint.«
    Kascha lässt den Stationsarzt nicht aus den Augen: »Und die Wasserkaraffe?«
    »Als ich kurze Zeit später ins Zimmer kam, lag sie vollkommen verkrampft auf dem Bett und hat genau so eine Karaffe auf dem Nachtschrank neben ihrem Bett angestarrt, hat in keiner Weise auf Ansprache reagiert, dafür am ganzen Körper gezittert und stark geschwitzt. Ihre Pupillen waren erweitert, ihr Puls lag bei 110 und ihr Blutdruck war im Keller. Wie wir beide wissen, hatte Frau Kovács vor wenigen Tagen ein schweres Kreislaufversagen. Was hätten Sie also an meiner Stelle getan, Frau Dr. Halbritter?«
    Kascha atmet hörbar aus, bevor sie antwortet:
    »Genau dasselbe wie Sie, Dr. Weller. Hat sich ihr Zustand in der Zwischenzeit stabilisiert?«
    »Körperlich ist sie momentan stabil, aber ich kann nicht garantieren, dass dies von Dauer ist. Wenn Sie mich fragen«, er unterbricht sich und richtet den Oberkörper auf, wobei das Sesselleder leise quietscht.
    Kascha sagt nichts, schaut den Arzt nur aufmerksam an und nickt leicht mit dem Kopf.
    »Ich bin zwar kein Psychologe, das ist Ihr Spezialgebiet, aber für mich sieht es ganz so aus, als würde die Patientin an PTBS leiden, und Wasser beziehungsweise ein Wassergefäß ist einer der Trigger. Wenn Sie also mit Sandra Kovács sprechen, denken Sie daran und bleiben Sie aus Rücksicht auf ihren labilen Gesamtzustand nicht länger als maximal eine Viertelstunde. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich muss mich wieder um meine anderen Patienten kümmern.«
     
    *
     
    Gerlach hält inne und stützt sich auf den Zivi, der mit ihm auf dem Flur auf und ab geht.
    »Haben Sie Schmerzen?«
    »Nein. Es ist nur der Schwindel.«
    Kein Wort vom Lied der Räbin, das wie Sturm in ihm heult. Und er selbst hat es ihr beigebracht.
    »Ich möchte gern nach draußen gehen.«
    Ob sie es schon von allen Dächern krächzt?
    Der junge Mann mit dem Pferdeschwanz schüttelt den Kopf.
    »Jetzt besser nicht, Herr Gerlach. Wir haben fünfunddreißig Grad.«
    »Ich will nächste Woche das Abschlusskonzert leiten. Egal, ob es vierzig Grad plus oder zwanzig minus hat.«
    Dem Zivi fällt der Widerspruch schwer.
    »Bitte, Herr Gerlach. Ich komm in Teufels Küche, wenn ich mit Ihnen rausgeh. Der Stationsarzt hat’s mir ausdrücklich verboten. Ihr Kreislauf ist noch nicht stabil genug. Vielleicht heute Abend. Was steht denn dieses Jahr auf dem Programm?«
    Gerlach lächelt dünn. Er wird die Räbin an ein anderes Lied erinnern.
    »Interessieren Sie sich für Musik? Ich bekomme es leider gerade nicht mehr zusammen … doch … das Brandenburgische Konzert F-Dur. Und wir haben eine wunderschöne Sopranbesetzung für die Kaffeekantate, die ist auch dabei … warum fragen Sie?«
    »Ich war doch am HLH, Herr Gerlach. Letztes Jahr hab ich mein Abi gemacht. Und ich weiß noch, dass Sie die Kaffeekantate vor ein paar Jahren schon einmal aufführen wollten.«
    »Sie haben ein gutes Gedächtnis, Herr ...«
    »März. Aber sagen Sie doch einfach Sebastian zu mir.«
    »Sebastian. Ich kann mich im Moment gar nicht erinnern. Warst du bei mir im LK?«
    »Nein, ich war im Grundkurs beim Herrn Franck. Aber ich kannte die Sandra ein bisschen. Die hätte doch die Sopranrolle –«
    Die Räbin mit dem Klingenschnabel hat einen Namen bekommen und bringt das Herz zur Raserei. Gerlachs linke Hand zuckt tastend nach seinem Hals.
    »Entschuldigen Sie. Ich hab völlig vergessen, dass –«
    »Ist schon in Ordnung. Aber jetzt muss ich mich wieder hinlegen. Alles dreht sich.«
    »Ich bring Sie zurück … langsam, Herr Gerlach.«
    »Weißt du zufällig, was mit Sandra passiert ist?«
    »Wie meinen Sie?«
    »Ist sie verhaftet worden?«
    Gerlach hat das Festland der Bettkante erreicht. Aber die Seekrankheit hört

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