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Blaulicht

Blaulicht

Titel: Blaulicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nacke
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hört erst auf, wenn man im Grab liegt. Oder?«
    Gerlach tastet schon wieder nach seinen nicht vorhandenen Zigaretten. Der andere hält ihm eine Packung HB vor die Nase.
    »Greifen S’ zu!«
    »Danke, nein.«
    »Auch recht. Wer nicht will, der hat schon«, konstatiert der Mann gemütlich, drückt seine ausgerauchte Zigarette im Aschenbecher aus und zieht von dannen.
    Sebastian steht unterdessen vor dem Aufzug und steckt nach kurzem Zögern den Schlüssel in die Steuerung. Eine halbe Etage höher geht er zielstrebig auf diejenige Zimmertür zu, neben der ein Uniformierter sitzt und Buchstaben in Kreuzworträtselkästchen malt. Der Frust, dass er am Verfolgen des Viertelfinalspiels gegen Argentinien, das in knapp eineinhalb Stunden angepfiffen wird, dienstlich gehindert ist, steht ihm überdeutlich ins schweißglänzende Gesicht geschrieben, und er knurrt irgendwas von einem ständigen Kommen und Gehen.
    »Ein wichtiges Medikament«, sagt Sebastian und betritt das Zimmer. Sandra Kovács schläft. Rasch legt er den gefalteten Brief unter den Teebecher auf dem Nachttisch und zieht sich wieder zurück. Er weiß nicht, dass er damit eine Lawine in Gang setzt, die eine junge Frau erneut an den Rand eines Zusammenbruchs bringt und Katharina Charlotte Halbritter aus einem Nachmittag reißt, an dem endlich einmal wieder Gedanken gesammelt und sortiert werden sollten.
     
    *
     
    »Ja«, hatte Ivana Simaková gesagt, »es gab da tatsächlich etwas, das Sie interessieren könnte. Es hat hier vor einigen Jahren eine Mordserie gegeben, das hing zusammen mit einem Bandenkrieg und wir wissen, dass die russische Mafia darin verwickelt war. Die Opfer wurden geradezu hingerichtet, stranguliert, oft mit Metallseil oder Draht – die Presse hat viel darüber geschrieben. Was sie nicht geschrieben hat, und was ich auch heute erst von meinem Kollegen erfahren habe: es gab einen Todesfall, der aus dem Muster fiel.«
    »Inwiefern fiel er aus dem Muster?« Zoe spürt trotz der Affenhitze eine Gänsehaut im Rücken hochziehen.
    »Alle Opfer waren männlich, bis auf eine Ausnahme – eine junge Frau, eine Illegale vom Autostrich. Sie wurde in einem Waldgrundstück nicht weit von der Grenze gefunden, ebenfalls mit Draht stranguliert.«
    »Und weiter?« Zoe wippt nervös mit dem nackten linken Fuß, die Sandalette ist schon vor einer Minute unter den Schreibtisch geflogen. »Was war das Besondere an diesem Mord, außer, dass das Opfer eine Frau war? Was stand nicht in der Zeitung?«
    »Zoj, denken Sie selber nach. Wie wahrscheinlich ist es, dass eine junge Hure, vielleicht war sogar Zwangsprostitution, in einen Bandenkrieg verwickelt ist und auf diese Weise ›exekutiert‹ wird?«
    Zoe denkt, und natürlich – sehr wahrscheinlich ist es nicht, da muss sie Ivana recht geben. Trotzdem hatte sie gehofft, die tschechische Kollegin hätte mit einem anderen Detail aufwarten können, einem, das ihren Verdacht bestätigen könnte.
    »Haben Sie herausfinden können, ob sie vielleicht mit einer Instrumentensaite gefesselt war?« fragt sie deshalb, wird von der Simaková aber enttäuscht.
    »Ich weiß es nicht, meine Liebe. Der Kollege muss die Unterlagen erst raussuchen, immerhin liegt dieser Fall einige Jahre zurück, und hier geschieht allerhand, man kann sich nicht alles merken, das werden Sie aus eigener Erfahrung kennen. Ich kann Ihnen also noch nichts rüberschicken, weil ich selbst noch nichts habe. Sie verstehen, es ist Samstag, ich muss noch ein paar Stunden Pause haben, bevor es hier wieder rundgeht.«
    Zoe hatte verstanden. Von ihrer Schwester weiß sie, wie oft deren Mann an den Wochenenden im Dienst ist. Und für das Drogendezernat dürften die gleichen Arbeitszeiten gelten wie für die Sitte. Das heißt für die Nächte von Freitag und Samstag ›Partytime!‹ oder trockener ausgedrückt: Nachtdienst in der Szene. Von der Drogengeschichte, an der auch Kalz arbeitete, hatte sie zwar nur am Rande etwas mitbekommen, aber doch so viel, um zu verstehen, dass es momentan um ein sehr großes Ding ging. Von dieser Seite würden die Informationen also auf sich warten lassen, und so lange bleibt ihr erst einmal nichts anderes übrig, als es sich auf den heißen Kohlen so bequem wie möglich zu machen – was für eine selten dämliche Vorstellung! Zoe beißt sich nervös auf die Unterlippe, Geduld war noch nie ihre Stärke.
    Du hast Wochenende, meldet sich wieder das Teufelchen auf ihrer rechten Schulter. Du hast einen Fall, flötet das Engelchen

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