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Blausäure

Blausäure

Titel: Blausäure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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begreifen, was mit ihm los war.»
    «Sie wussten nichts von diesen Briefen?»
    «Nichts. Waren es viele?»
    «Er hat mir zwei gezeigt.»
    «Und ich wusste nichts davon!»
    In ihrer Stimme schwang ein Ton bitterer Verletzung mit.
    Er beobachtete sie einige Augenblicke lang, dann fuhr er fort:
    «Nun, Miss Lessing, was denken Sie? Ist es Ihrer Meinung nach möglich, dass George Selbstmord beging?»
    Sie schüttelte den Kopf.
    «Nein – o nein!»
    «Aber Sie sagten, er war aufgeregt – nervös?»
    «Ja, aber so war er schon seit einiger Zeit. Jetzt verstehe ich, warum. Und warum er so aufgeregt wegen dieser Feier war. Er muss eine bestimmte Idee im Kopf gehabt haben – er muss gehofft haben, dass er zusätzliches Wissen erlangen würde, wenn er die ursprünglichen Bedingungen wiederholte – armer George, er muss ja ganz durcheinander von dieser ganzen Geschichte gewesen sein.»
    «Und was ist mit Rosemary Barton, Miss Lessing? Denken Sie immer noch, dass es Selbstmord war?»
    Sie runzelte die Stirn.
    «Ich habe nicht im Traum daran gedacht, dass es etwas anderes sein könnte. Es schien so logisch.»
    «Depression nach einer Grippe?»
    «Nun, vielleicht mehr als das. Sie war auf jeden Fall sehr unglücklich. Das konnte man sehen.»
    «Auch den Grund erraten?»
    «Nun – ja. Zumindest ich habe ihn erraten. Natürlich kann ich mich irren. Aber Frauen wie Mrs Barton sind sehr leicht zu durchschauen – sie geben sich keine Mühe, ihre Gefühle zu verbergen. Zum Glück glaube ich nicht, dass Mr Barton etwas ahnte… O ja, sie war sehr unglücklich. Und ich wusste, dass sie an jenem Abend nicht nur von der Grippe geschwächt war, sondern außerdem an starken Kopfschmerzen litt.»
    «Woher wussten Sie, dass sie Kopfschmerzen hatte?»
    «Ich hörte, wie sie es Lady Alexandra erzählte – an der Garderobe, als sie ihren Pelz ablegte. Sie äußerte den Wunsch nach einer Kopfschmerztablette, und glücklicherweise hatte Lady Alexandra ein Cachet Faivre dabei und gab es ihr.»
    Colonel Race, der gerade sein Glas erhob, hielt mitten in der Bewegung inne.
    «Und sie nahm es?»
    «Ja.»
    Er setzte sein Glas ab, ohne zu trinken, und starrte sie über den Tisch hinweg an. Die gelassene junge Frau ihm gegenüber schien sich der Bedeutung dessen, was sie gesagt hatte, nicht bewusst zu sein. Aber es war von Bedeutung. Es bedeutete, dass Sandra, die von ihrem Platz am Tisch aus die allergrößte Schwierigkeit gehabt hätte, ungesehen irgendetwas in Rosemarys Glas zu schütten, eine andere Gelegenheit gehabt hatte, ihr Gift zu verabreichen. Sie hätte es Rosemary in einem Cachet geben können. Normalerweise brauchte eine solche Kapsel nur wenige Minuten, um sich aufzulösen, aber dies war möglicherweise eine besonders präparierte gewesen, statt mit Oblate vielleicht mit einer Schicht Gelatine oder einer anderen Substanz überzogen. Oder Rosemary hatte sie möglicherweise nicht sofort geschluckt, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt.
    «Haben Sie gesehen, wie sie sie einnahm?», fragte er abrupt.
    «Wie bitte?»
    Ihrem verwirrten Gesicht war anzusehen, dass sie mit ihren Gedanken abgeschweift war.
    «Sahen Sie, wie Rosemary Barton die Kapsel schluckte?»
    Ruth wirkte etwas erschrocken.
    «Ich – nun – nein, ich sah es nicht direkt. Sie hat Lady Alexandra dafür gedankt.»
    Es war also möglich, dass Rosemary die Kapsel in ihre Handtasche gesteckt hatte und während der Show, als die Kopfschmerzen sich verstärkten, in ihr Champagnerglas warf und sie darin auflöste. Eine Hypothese – eine reine Hypothese – aber eine Möglichkeit.
    «Warum fragen Sie mich danach?», sagte Ruth.
    Ihre Augen waren plötzlich wachsam, voller Fragen. Er sah ihrem Verstand, so schien ihm, beim Denken zu.
    Dann sagte sie:
    «Ach, ich verstehe! Ich verstehe, warum George das Haus auf dem Land in der Nähe der Farradays kaufte. Und ich verstehe, warum er mir nichts von jenen Briefen erzählte. Gerade das war mir so unverständlich erschienen. Aber natürlich, wenn er dem Inhalt Glauben schenkte, dann hieß es ja, dass einer von uns, einer von diesen fünf Leuten am Tisch, sie umgebracht haben musste. Es hätte ja – sogar ich hätte es gewesen sein können!»
    Mit sanfter Stimme fragte Race:
    «Hatten Sie einen Grund, um Rosemary zu töten?»
    Zuerst dachte er, sie habe die Frage nicht gehört. Ganz still saß sie da, den Blick gesenkt.
    Aber plötzlich, mit einem großen Seufzer, hob sie den Kopf und blickte ihm in die Augen.
    «Es ist nicht gerade

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