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Blausäure

Blausäure

Titel: Blausäure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Ruth Lessing war zu besonnen und zu vorsichtig, um ihren Hals für bloße Ehefrauenbequemlichkeit in die Schlinge zu stecken. Liebe? Vielleicht. Bei all ihrer kühlen und reservierten Art hielt er sie für eine jener Frauen, die von einem bestimmten Mann zu durchaus ungewöhnlicher Leidenschaft angefeuert werden können. Unter der Bedingung, dass sie George liebte und Rosemary hasste, mochte sie den Mord an Rosemary vielleicht eiskalt geplant und durchgeführt haben. Dass er ohne Störung geklappt hatte und dass Selbstmord allgemein und widerspruchslos akzeptiert worden war, zeigte in diesem Fall ihre angeborene Tüchtigkeit.
    Und dann hatte George anonyme Briefe erhalten – (Von wem? Warum? Das war das quälende, äußerst irritierende Problem, das ihm keine Ruhe ließ) – und war misstrauisch geworden. Er hatte eine Falle erdacht. Und Ruth hatte ihn zum Stillschweigen gebracht.
    Nein, das stimmte nicht. Das klang nicht echt. Es sprach von Panik – und Ruth Lessing war nicht die Frau, die in Panik geriet. Sie war intelligenter als George und hätte mit Leichtigkeit jeder von ihm aufgestellten Falle ausweichen können.
    Es sah so aus, als ob Ruth doch nichts zur Lösung des Falles beitragen konnte.

Sechs
     
    L ucilla Drake war entzückt, Colonel Race zu empfangen. Alle Jalousien waren heruntergelassen. Lucilla kam ins Zimmer, ganz in Schwarz gehüllt, und hielt ein Taschentuch an die Augen gepresst. Während sie ihm eine zittrige Hand entgegenstreckte, erklärte sie, dass sie natürlich niemanden hätte empfangen können – wirklich niemanden – außer einen so alten Freund des lieben, lieben George wie ihn – und wie schrecklich es sei, keinen Mann im Haus zu haben! Ohne Mann im Haus wusste man ja nicht, wie man irgendetwas in Angriff nehmen sollte! Nur sie, eine arme, einsame Witwe, und Iris, ein hilfloses, junges Mädchen – George hatte sich doch immer um alles gekümmert. Es war zu gütig vom lieben Colonel Race, und sie war wirklich so dankbar – sie wusste ja nicht mehr aus noch ein! Natürlich würde Ruth Lessing alles Geschäftliche erledigen – und die Beerdigung war auch noch zu bedenken – aber was war mit der gerichtlichen Untersuchung? Und wie grässlich war es, die Polizei im Haus zu haben – buchstäblich im Haus – natürlich in Zivil und im Grunde recht rücksichtsvoll. Aber sie war so verwirrt, und die ganze Geschichte war eine so furchtbare Tragödie, und fand Colonel Race nicht auch, dass das Ganze auf Suggestion beruhen musste – so nannten es die Psychoanalytiker, nicht wahr, alles war Suggestion? Und der arme George an diesem grauenhaften Ort, dem Luxembourg, und quasi dieselbe Feier und die Erinnerung daran, wie Rosemary dort gestorben war – es musste ganz plötzlich über ihn gekommen sein – wenn er nur auf das gehört hätte, was sie, Lucilla, zu ihm gesagt hatte, und die exzellente Arznei von Dr. Gaskell eingenommen hätte – er war so ausgebrannt gewesen den ganzen Sommer lang – ja, völlig ausgebrannt.
    Woraufhin Lucilla selbst momentan ausgebrannt schien, so dass Race eine Chance hatte zu reden.
    Er drückte sein tief empfundenes Beileid aus und versicherte, dass Mrs Drake jederzeit auf ihn zählen könnte.
    Woraufhin Lucilla von neuem loslegte und betonte, wie reizend es von ihm sei, und dass es so ein schrecklicher Schock gewesen sei – heute hier und morgen fort, wie es schon in der Bibel hieß, wie Gras, das am Morgen noch sprosst und des Abends dahingerafft wird – nun, es war nicht ganz richtig zitiert, aber Colonel Race würde schon verstehen, was sie meinte, und es war so beruhigend zu wissen, dass es jemanden gab, dem sie vertrauen konnten. Miss Lessing meinte es natürlich gut, und sie war sehr tüchtig, aber doch eher gefühllos, und riss die Dinge manchmal zu sehr an sich, und ihrer Meinung nach hatte George sich immer viel zu sehr auf sie verlassen, viel zu sehr, so wahr sie Lucilla hieß, und es hatte eine Zeit gegeben, da hatte sie sich wirklich gefürchtet, dass er eine Dummheit begehen könnte, was sehr schade um ihn gewesen wäre, denn wahrscheinlich hätte das Mädchen ihn, wenn sie erst verheiratet gewesen wären, ganz gehörig getriezt. Natürlich hatte sie, Lucilla, den Braten sogleich gerochen. Die liebe Iris war so weltfremd, und es war ja süß, dachte Colonel Race das nicht auch, dass junge Mädchen unschuldig und weltfremd waren? Iris war immer sehr kindlich für ihr Alter gewesen, und sehr still – die Hälfte der Zeit wusste man

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