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Blauwasserleben

Blauwasserleben

Titel: Blauwasserleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Dorsch
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»Kleiderordnung« halten sie bis heute fest.
    Die Kuna-Indianer leben nicht vollkommen abgeschieden, vor einigen
Inseln ankerten ausländische Yachten, auf der Hauptinsel El Porvenir gibt es
sogar einen kleinen Flugplatz – aber dennoch spielte der Tourismus hier keine
so große Rolle wie sonst üblich auf den Karibikinseln. Die Menschen lebten vom
Fischfang und vom Verkauf ihrer Stickereiarbeiten. Häufig kamen ganze Familien
in einem Einbaum angepaddelt und boten Fische, selbst gebackenes Brot oder ihre
Molas an.
    Viele Dörfer, die wir sahen, bestanden aus Hütten, ohne Strom. Hier
hatte der Dorfälteste das Sagen, und ihn mussten wir auch fragen, wenn wir uns
in einer Ortschaft umsehen wollten. Die Menschen lebten ihre Traditionen, ohne
dass man den Eindruck hatte, bei ihren Dörfern würde es sich um Museumsdörfer
handeln.
    Von den San-Blas-Inseln aus brachen wir auf Richtung Colón, einer
Stadt am atlantischen Zugang zum Panamakanal.
    Â»Heike, siehst du auch, was ich sehe?« Stefan wies aufs offene Meer
hinaus. Es war nicht zu ignorieren. Schon von Weitem waren große Felder im Meer
zu erkennen, die auf aufgewühltes Wasser hindeuteten. Es war sogar derart aufgepeitscht,
dass es regelrecht blubberte, als würde ein heftiger Hagelschauer genau auf
diese lokale Ozeanfläche niedergehen. »Das müssen wir uns unbedingt anschauen«,
fuhr Stefan fort. »Nichts wie mitten hinein in dieses Schlachtfeld. Klar zum
Wenden!«
    Â»Ist klar.«
    Â»Ree!«
    Mittlerweile lief das Segelmanöver, um eine Wende zu fahren,
eingespielt ab. Wir nahmen Kurs auf das bewegte Wasser vor uns.
    Â»Sieh nur, wie die Seevögel über dem Spektakel kreisen.« Stefan
blickte gebannt auf das Schauspiel.
    Â»Ein bisschen unheimlich ist das ja«, gab ich zu bedenken. »Wir
wissen gar nicht, was da los ist.«
    Das änderte sich bald. Als wir näher an die Fläche kamen, konnten
wir aus dem Wasser springende Thunfische ausmachen und – Haie. Gigantisch.
Gefährlich. Und hungrig. Noch nie hatten wir jagende Haie in dieser Menge
beobachten können.
    Wir sahen sogar einen Walhai, den größten Fisch der Ozeane.
Eindeutig konnten wir sein abgeflachtes Maul erkennen. Er war ungefähr sechs
Meter lang, demnach musste es sich um einen Baby-Walhai handeln. Gerne wären
wir mit ihm geschnorchelt, denn seine kleinen Zähne zermalmen vornehmlich
Plankton und Kleinstlebewesen. Aber in diesem Haifischbecken war viel zu viel
los, und man konnte nicht wissen, wonach die anderen Haie, ihrem Jagdtrieb
folgend, alles schnappten. Zudem war ich noch mitgenommen von meinem
Hai-Erlebnis vor der kolumbianischen Insel Providencia.
    Ich war an dem Tag allein schnorcheln gegangen. Plötzlich erblickte
ich weiter weg etwas Großes und Graues, das in dem flachen Gewässer – es war
höchstens zwei Meter tief – seltsam hin und her wirbelte. Um es besser sehen zu
können, schwamm ich näher heran. Es war ein Hai, der plötzlich auf mich
zuschoss. Schnell hielt ich meine Flossen vors Gesicht, die Taucherbrille hatte
ich noch auf. Weshalb auch immer, auf einmal trat er den Rückzug an. Panisch
schrie ich: »Hai! Hai!« Stefan kam mir nicht zu Hilfe, obwohl er mich gesehen hatte.
    Nachdem ich auf dem Boot war, zitterte und weinte ich, so fertig war
ich mit den Nerven.
    Â»Stell dich nicht so an, es war bestimmt nicht so schlimm, du
übertreibst«, sagte Stefan, wenig tröstlich.
    Â»Das nächste Mal nehme ich mir ein Tauchermesser mit«, antwortete
ich. »Auf dich ist kein Verlass!«
    Â»Das hilft nichts, denn unter Wasser hat man nicht die Kraft, das
Messer richtig einzusetzen.«
    Â»Aber irgendwie muss ich mir ja helfen, wenn du mir nicht hilfst.«
    Später, bei unserem gemeinsamen Sundowner vorn im Netz auf der Baju mit Nora, Damian und dem Baby, hatte ich Stefan
gefragt: »Warum hast du mir nicht geholfen, als ich um Hilfe schrie?«
    Â»Was hätte ich denn machen sollen? Zu dir hinschwimmen? Und dann?«
    Â»Zu mir hinschwimmen, ja, und mich beruhigen. Oder mit dem Dinghi
kommen und mich retten.«
    Â»Bis ich das Beiboot ins Wasser gelassen hätte, wärst du schon
längst an Bord gewesen.«
    Â»Stefan, es geht doch darum, mir das Gefühl zu geben, dass du nicht
zuschaust, wenn ein Hai mich attackiert, sondern dass du Manns genug bist, mich
zu retten. Oder irgendwas unternimmst. Es geht doch nicht, dass

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