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Blauwasserleben

Blauwasserleben

Titel: Blauwasserleben
Autoren: Heike Dorsch
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mit Sicherheit
erst nach einer Zahnanalyse beantworten können.«
    Ich schrie auf, heulte, wusste nicht, wohin mit meiner Verzweiflung.
Vries nahm mich in den Arm. Die Worte waren glasklar zu mir durchgedrungen.
Zwar hatte man gemeint, man könne noch nichts mit hundertprozentiger Gewissheit
sagen – doch für mich gab es keinen Zweifel: Stefan war nicht mehr am Leben.
Nur war dies die Gewissheit, die ich nicht hatte hören wollen.
    Nachdem ich mich ein wenig gefasst hatte,fragte
ich nach Details, fast merkwürdig sachlich: »Wie ist er gestorben? Wo ist das
passiert? Ist er erschossen worden? Was genau habt ihr gefunden?«
    Â»Es ist genug für heute«, entschied der SEK -Leiter.
»Du musst das erst einmal verarbeiten.«
    Wieder heulte ich. Seit drei Tagen war Stefan bereits tot.

    Am Freitag kam das Ergebnis der Zahnanalyse. Der Test
hatte den Nachweis erbracht. Weltweit ging diese Nachricht durch die Presse.
    Aber wie war es dazu gekommen, dass der Mann, der mich vergewaltigen
und wohl auch töten oder was auch immer mit mir machen wollte, Stefan
verbrannte? War es ein Unfall gewesen und hatte er Spuren verwischen wollen? Dann
dachte ich wieder an die Plastikplane, die er aus seinem Rucksack hervorgeholt
hatte, ebenso wie die Schnüre. Alles musste eiskalt geplant gewesen sein. Oder
wozu brauchte man eine solche Plane und derartige Fesseln, wenn man darauf aus
war, tatsächlich nur eine Ziege zu schießen? Und dass er sich einen Abend
aussuchte, in dem er nahezu allein im Ort war, weil die meisten anderen
Bewohner zu einem Fest unterwegs waren – sprach das nicht für einen
beabsichtigten Mord? Doch warum? Warum wir? Was hatten wir ihm getan?
    Hätte er uns beide verbrannt – nichts wäre von uns übrig geblieben.
Man hätte irgendwann begonnen, uns zu vermissen. Aber hätte man uns gefunden?
Kaum. Der Täter hätte zur Baju fahren und den Anker
lichten können. Der Katamaran wäre aufs Meer hinausgetrieben. Es wäre unmöglich
geworden, ihm auf die Spur zu kommen.
    An diesem Freitag erfuhr ich mehr Einzelheiten und erhielt Antworten
auf meine Fragen. Es vernahmen mich morgens eine Polizistin und der Chef der
gesamten Polizeibrigade auf Nuku Hiva war, ein dunkelhaariger, schmaler Mann
mit ernstem Blick, ein zäher Typ, einer, der nicht aufgibt, bevor ein Fall
geklärt ist.
    Â»Wieso stieß man auf diese Feuerstelle? Es gibt doch sicher
unzählige davon auf der Insel?«, fragte ich.
    Â»Die Feuerstelle war sechsmal größer, als wenn ein normaler Jäger
Feuer gemacht hätte. Das fiel auf.«
    Â»Heißt das, dass Stefan dort verbrannt worden ist, wo man ihn
getötet hat? In der Presse heißt es, man hat ihn zerstückelt. Stimmt das?«
    Â»Die Wahrscheinlichkeit ist groß.«
    Â»Wurde er vorher erschossen?«
    Â»Wir haben nirgendwo eine Patrone gefunden. Weder in der Umgebung
noch in der Asche.«
    Â»Könnt ihr sagen, wann Stefan verbrannt wurde?«
    Â»Noch in der Nacht von Sonntag auf Montag, das jedenfalls vermuten
wir.«
    Â»Wie lange dauert es, bis so ein Körper verbrennt?«
    Â»Der Täter muss die ganze Nacht gearbeitet haben.«
    Â»Was?«
    Â»Entschuldige, Heike, aber es ist wahnsinnig viel Arbeit, einen
Menschen zu verbrennen.«
    Â»Ist nichts übrig geblieben?«
    Â»Ein Stück Muskel sowie ein Stück Knochen und Zähne. Diese beiden
Teile fand man in dem Bach direkt neben der Feuerstelle. Der Täter hat wohl,
als der Morgen dämmerte, Angst gehabt, dass der Rauch sichtbar wird und
deswegen die Reste ins Wasser gekippt. Stefans Zähne hingegen fand man an der
Feuerstelle. Deshalb konnten wir mithilfe von forensischen Spezialisten eine DNA -Analyse in Frankreich machen lassen. Ein Experte auf
dem Gebiet der Zahnanalyse hat von Stefans Zahnarzt in Deutschland Unterlagen
gefaxt bekommen. Er war in der Lage, fünf Zähne als die von Stefan zu
identifizieren.«
    Ich kann nicht glauben, dass man Stefan zerstückelte. Ich will es
auch nicht glauben.
    Â»Wir haben aber noch einige andere Sachen gefunden – schaffst du es,
sie dir anzusehen?« Der Chef beobachtet mich, versucht herauszufinden, was er
mir zumuten kann.
    Â»Ja«, sagte ich.
    Man zeigte mir zwei einzelne Gläser mit deutlichen Brandzeichen in
einer Plastiktüte, die ich als verbrannte Sonnenbrillengläser identifizierte.
Die Marke Ray Ban war zu erkennen.
    Â»Hatte Stefan eine
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