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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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das es sich handelte, zu denken, – zu bedenken, daß, während bange Hoffnung in so vielen Herzen wühlte, dieses glänzende Schauspiel Tag für Tag und Jahr um Jahr wohlgeordnet und ruhevoll ungestört seinen Fortgang nahm, den Lordkanzler und die ganze Schar von Juristen um ihn herum zu sehen, die sich und die Zuschauer anblickten, als hätte keiner von ihnen je gehört, daß in ganz England das, in dessen Namen sie sich versammelten, bitterer Hohn sei, ein Gegenstand allgemeinen Abscheus, der Verachtung und Erbitterung, eine Institution, so offenkundig unwürdig, daß fast ein Wunder dazu gehörte, wenn es wirklich jemals irgend jemandem Nutzen brachte – das alles kam mir bei meiner Unerfahrenheit so merkwürdig und widerspruchsvoll vor, daß ich es anfangs gar nicht begreifen konnte und meinen Augen nicht traute.
    Ich setzte mich auf den Platz, den Richard mir aussuchte, und versuchte zuzuhören und mich zurechtzufinden, aber es schien nichts Reales an dem ganzen Schauspiel zu sein als die kleine Miß Flite, die arme Verrückte, die auf einer Bank stand und immerwährend nickte.
    Miß Flite erspähte uns bald und kam zu uns. Sie bewillkommnete mich huldvoll in ihrem Gebiet und machte mich mit vielem Behagen auf seine Hauptreize aufmerksam. Auch Mr. Kenge trat zu uns und machte uns die Honneurs fast in gleicher Weise und mit der freundlich bescheidenen Miene eines Hauseigentümers.
    Die Gelegenheit sei für einen Besuch nicht sehr gut gewählt, sagte er, er würde den ersten Tag der Session vorgezogen haben, aber es sei ein imposantes, sehr imposantes Schauspiel.
    Als wir ungefähr eine halbe Stunde dagewesen waren, schien die eben im Stadium der Verhandlung befindliche Rechtssache an ihrer eignen Nichtigkeit, ohne daß jemand übrigens ein Resultat zu erwarten schien, zu sterben.
    Der Lordkanzler warf einen Stoß Papier von seinem Pult den Herren unter ihm zu, und irgend jemand rief: »Jarndyce kontra Jarndyce.« Dann hörte man ein Summen und Lachen und bemerkte eine allgemeine Flucht der Zuhörer und sah große Haufen und Stöße und Beutel um Beutel voller Akten hereingetragen werden.
    Ich glaube, die Sache kam »wegen weiterer Verweisung wegen Kostenfestsetzung« zur Sprache, soviel mir trotz meiner Verwirrung klar wurde. Ich zählte dreiundzwanzig Herrn in Perücken, die sagten, sie hätten darin »zu vertreten«, und keiner derselben schien in der Sache mehr zu wissen als ich. Sie plauderten darüber mit dem Lordkanzler und stritten sich und erklärten einander das und jenes, und einige von ihnen behaupteten, es sei so, und andere, es sei anders, und einige schlugen scherzweise vor, ungeheure Folianten Zeugenaussagen verlesen zu lassen, und das Summen und Lachen nahm immer mehr zu, und allen, die in der Sache zu tun hatten, schien der Prozeß ein Feld müßiger Unterhaltung zu sein, und niemand wußte etwas damit anzufangen. Nach ungefähr einer Stunde und sehr viel begonnenen und wieder unterbrochenen Reden wurde sie »vorläufig zurückgestellt«, wie Mr. Kenge sagte, und die Akten wurden wieder hinausgeschafft, ehe die Schreiber noch mit dem Hereinbringen fertig waren.
    Ich sah nach Schluß dieser hoffnungslosen Verhandlung Richard an und erschrak über den müden angegriffenen Ausdruck seines hübschen jungen Gesichtes. »Es kann nicht ewig dauern, Mütterchen. Das nächste Mal wird es besser gehen.« Das war alles, was er sagte.
    Ich hatte Mr. Guppy Akten hereinbringen und von Mr. Kenge ordnen sehen. Er erkannte mich und machte mir eine melancholische Verbeugung, was in mir den Wunsch erweckte, den Gerichtssaal zu verlassen. Richard reichte mir den Arm und wollte mich hinausführen, da trat Mr. Guppy zu uns.
    »Ich bitte um Verzeihung, Mr. Carstone«, sagte er flüsternd, »und auch Miß Summerson, aber es ist eine Dame hier, die ich kenne und die auch Miß Summerson kennt und das Vergnügen haben möchte, sie zu begrüßen.«
    Noch während er sprach, sah ich Mrs. Rachael wie eine körperlich gewordene Erinnerung aus dem Haus meiner Patin vor mir auftauchen.
    »Wie geht es Ihnen, Esther?« fragte sie. »Erinnern Sie sich meiner noch?«
    Ich reichte ihr die Hand und bejahte und sagte, sie habe sich sehr wenig verändert.
    »Ich wundere mich, daß Sie sich noch an diese Zeiten erinnern, Esther«, sagte sie mit ihrer alten Schroffheit. »Sie haben sich sehr verändert. Nun, ich freue mich, Sie zu sehen, und freue mich, daß Sie nicht zu stolz geworden sind, um mich noch zu kennen.« – In

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