Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
vor ihm auf die Knie gesunken waren und ihn als ihren Retter gesegnet hatten, beneidete. Ich selbst hätte vor ihm niederknien und ihn segnen mögen in meinem Entzücken, daß er sich so wahrhaft edel und tapfer benommen. Ich fühlte, daß niemand – weder Mutter, Schwester noch Gattin – ihn höher halten könnte als ich. Ja, als ich, das fühlte ich.
    Die arme kleine Miß Flite schenkte mir den Bericht, und als sie bei herannahendem Abend aufstand, um sich zu verabschieden, um nicht die Rückfahrt mit der Landkutsche zu versäumen, sprach sie noch immer von dem Schiffbruch. Ich war meinerseits noch zu sehr außer Fassung, um ihn in allen seinen Einzelheiten zu begreifen.
    »Meine Liebe«, sagte sie, als sie Schärpe und Handschuhe sorgfältig eingewickelt hatte, »mein wackerer Arzt sollte einen Titel bekommen. Jedenfalls wird das auch geschehen. Sie sind doch auch der Meinung?«
    »Daß er gewiß einen verdiente, ja. Daß er einen bekommen wird, nein.«
    »Warum nicht, Fitz-Jarndyce?« fragte sie etwas gereizt.
    Ich erklärte ihr, es sei in England nicht Sitte, für verdienstvolle Taten in Friedenszeiten, wie bedeutend sie auch immer wären, Titel zu verleihen. Außer, gelegentlich, wenn diese Taten in der Aufhäufung irgendeiner großen Summe Geldes bestünden.
    »Aber, Gott im Himmel«, sagte Miß Flite, »wie können Sie so etwas sagen! Sie wissen doch, meine Liebe, daß die größten Zierden Englands in Wissenschaft, Kunst, Humanität und Fortschritten aller Art adlig geworden sind. Blicken Sie um sich, meine Liebe. Jetzt müssen Sie ein wenig zerstreut sein, glaube ich, wenn Sie nicht wissen, daß das allein der Grund ist, weshalb in England der Adel nie aussterben wird.«
    Ich fürchte, sie glaubte wahrhaftig, was sie sagte. Es gab Augenblicke, wo sie wirklich ganz verrückt war.
    Und jetzt muß ich wohl das kleine Geheimnis verraten, das ich bis jetzt für mich zu behalten versucht habe. Ich hatte mir manchmal gedacht, Mr. Woodcourt liebe mich und würde, wenn er reicher gewesen wäre, es mir vielleicht vor seiner Abreise gesagt haben. Ich dachte mir manchmal, ich würde mich gefreut haben, wenn er es mir gesagt hätte. Aber wieviel besser war es jetzt, daß es nicht der Fall gewesen! Was hätte ich leiden müssen, wenn ich ihm hätte schreiben und sagen müssen, daß die armseligen Gesichtszüge, die er als die meinen gekannt, jetzt so verändert seien und daß ich ihn freiwillig seiner Verpflichtung gegen eine, die er nie gesehen, so verändert habe sie sich, entbinde. Oh, wieviel besser war es so! Nichts war jetzt ungeschehen zu machen, für mich keine Kette zu lösen, für ihn keine Kette zu schleppen, und ich konnte, so es Gott gefiel, meinen einfachen Weg auf dem Pfade der Pflicht verfolgen und er seinen besseren Weg auf der breiteren Straße gehen.

36. Kapitel
Chesney Wold
    Charley und ich traten unsre Reise nach Lincolnshire nicht allein an. Mein Vormund hatte es sich nicht nehmen lassen, mich im Auge zu behalten bis zu unsrer sichern Ankunft in Mr. Boythorns Haus. So begleitete er uns, und wir waren zwei Tage unterwegs. Mir erschien jeder Lufthauch, jeder Duft, jede Blume und jedes Blatt, jeder Grashalm und jede vorüberziehende Wolke und alles in der Natur schöner und wunderbarer als je. Das war mein erster Gewinn, den ich aus meiner Krankheit zog. Wie wenig hatte ich verloren, wenn die ganze weite Welt so voller Wonnen für mich war!
    Da mein Vormund gleich wieder zurückreisen wollte, vereinbarten wir bereits auf der Hinfahrt einen Tag, wo mein Liebling mich besuchen kommen sollte. Ich schrieb ihr einen Brief, den er ihr zu geben versprach, und er schied von uns eine halbe Stunde nach unsrer Ankunft an unserm Reiseziel. Es war ein schöner Frühsommerabend.
    Hätte eine gute Fee für mich das Haus mit einem Wink ihres Zauberstabes gebaut und wäre ich eine Prinzessin und ihr Patenkind gewesen, hätte man mich darin nicht mehr ehren können. So viele Vorbereitungen hatte man für mich getroffen und überall eine so liebevolle Erinnerung an all die Kleinigkeiten, die ich liebte, an den Tag gelegt, daß ich mich wohl ein Dutzend Mal, von Rührung überwältigt, hätte hinsetzen können, ehe noch die Hälfte der Zimmer besichtigt war. Ich tat jedoch etwas Vernünftigeres. Ich führte nämlich Charley überall herum. Charleys Entzücken beruhigte mich, und nachdem wir einen Spaziergang im Garten gemacht und Charley ihr ganzes Vokabularium von Bewunderungsausdrücken erschöpft hatte, fühlte

Weitere Kostenlose Bücher