Bleakhouse
General mit einem Mund voll falscher Zähne, gleich einem mit Tasten übersäten Klavier, der lange die Bewunderung von Bath und der Schrecken aller andern Ortschaften ist, eine Mitgift von fünfzigtausend Pfund einbringt.
Er sieht auch in Zimmer hinein, hoch oben im Dach, und in Kammern, in Höfe und Ställe, wo bescheidenere Wünsche von Seligkeiten im Portierhäuschen und im heiligen Ehestand zwischen Hänsel und Gretel träumen. Und dann steigt die glänzende Sonne empor und zieht alles mit sich hinauf – die Hänsel und Gretel, den in der Erde verborgnen Dunst, die schlummernden Blätter und Blumen, die Tiere, die da gehen, fliegen und kriechen, den Gärtner, der den tauglänzenden Rasen kehrt und smaragdenen Samt werden läßt, wo die Walze geht, und läßt den Rauch des Küchenfeuers gerade und hoch in die dünne Morgenluft sich emporkräuseln. Endlich steigt auch das Banner über Mr. Tulkinghorns in Schlummer ruhendem Haupte empor als freudige Kunde, daß Sir Leicester und Lady Dedlock in ihrem glücklichen Heim weilen und Gastfreundschaft auf dem Schlosse in Lincolnshire geübt wird.
42. Kapitel
In Mr. Tulkinghorns Wohnung
Mr. Tulkinghorn verläßt die grünen Abhänge und breitästigen Eichen des Dedlockschen Herrschaftssitzes und vertauscht sie mit der brütenden Hitze und der staubigen Luft Londons. Die Art, wie er zwischen den beiden Orten kommt und geht, ist eines seiner undurchdringlichen Privatgeheimnisse. Er erscheint in Chesney Wold, als läge es unmittelbar neben seiner Wohnung, und taucht in seiner Kanzlei auf, als habe er Lincoln's-Inn-Fields nie verlassen. Er zieht sich weder vor der Reise anders an, noch spricht er darüber vor- oder nachher.
Diesen Morgen schmolz er wie ein Stück Eis aus seinem Turmzimmer hinweg, genauso, wie er jetzt in der späten Abenddämmerung in sein Stadtquartier hineingefriert.
Gleich einem rauchgeschwärzten Londoner Vogel unter seinen Artgenossen, die in diesen lieblichen Gefilden hausen, wo die Schafe zu Pergament, die Ziegen zu Perücken, das Weideland zu Häcksel verarbeitet werden, zieht der vertrocknete und verwelkte Advokat, der unter den Menschen wohnt und nicht mit ihnen verkehrt und alterte, ohne je eine heitere Jugend gekannt zu haben, und so lange gewohnt gewesen ist, sein ödes Nest in Höhlen und Winkeln des menschlichen Gemütes aufzuschlagen, daß er die geräumigeren und besseren Regionen darüber ganz vergessen hat, gemächlich in seinem Hause ein. In dem Brutofen, den das glühende Pflaster und die heißen Gebäude bilden, hat es ihm die Kehle mehr als gewöhnlich ausgedörrt, und er denkt durstig an seinen milden, ein halbes Jahrhundert alten Portwein.
Der Laternenmann klimmt auf Mr. Tulkinghorns Häuserseite der Inn-Fields, wo dieser Oberpriester adliger Geheimnisse jetzt in seinen düstern stillen Hof tritt, die Leiter auf und ab.
Der Advokat geht gerade die Türstufen hinauf, um in seine dämmrig dunkle Halle zu gehen, als er auf der obersten Stufe einem sich verbeugenden, lächelnden kleinen Mann begegnet.
»Sind Sie es, Snagsby?«
»Ja, Sir. Ich hoffe, Sie befinden sich wohl, Sir? Ich hatte eben die Hoffnung aufgegeben, Sir, Sie zu treffen, und wollte nach Hause gehen.«
»So? Was gibt's? Was wünschen Sie von mir?«
»Ach, Sir«, sagt Mr. Snagsby und hält vor lauter Ehrerbietung vor seinem besten Kunden den Hut neben dem Kopf. »Ich hätte gern ein Wort mit Ihnen gesprochen, Sir.«
»Kann es hier geschehen?«
»O gewiß, Sir.«
»Also sprechen Sie.« Der Advokat dreht sich um, legt die Arme auf das eiserne Treppengeländer und sieht dem Laternenmann unten zu, wie er die Lichter im Hof anzündet.
»Es handelt sich«, beginnt Mr. Snagsby in geheimnisvollem, leisem Ton, »es handelt sich – um nicht durch die Blume zu sprechen – um die Fremde.«
Mr. Tulkinghorn sieht ihn erstaunt an. »Was für eine Fremde?«
»Die fremde Frauensperson, Sir. Französin, wenn ich nicht irre. Ich meinerseits kenne ihre Sprache nicht, aber ich möchte nach ihrem Wesen und ihrem Aussehen meinen, es sei eine Französin. Jedenfalls ist sie eine Ausländerin. Die oben im Zimmer war, Sir, als Mr. Bucket und ich an jenem Abend die Ehre hatten, Ihnen mit dem Gassenkehrerjungen unsre Aufwartung zu machen.«
»Ja, so, Mademoiselle Hortense.«
»So. Hm. Heißt sie so, Sir?« Mr. Snagsby hüstelt seinen Unterwürfigkeitshusten hinter dem Hut. »Mir sind im allgemeinen Namen von Ausländern nicht allzu geläufig, aber ich bezweifle durchaus nicht,
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