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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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abwendn müssn, wie i gsehgn hab. Und Mr. Woodcot hat mir bei Tag und Nacht was zur Beruhigung gebn, hat si über mi gebeugt und hat mir Mut zugsprochen, aber dabei sin ihm die Tränen heruntergloffn, Mr. Sangsby!«
    Gerührt legt der Papierhändler abermals eine halbe Krone auf den Tisch. Nur eine Wiederholung dieses unfehlbaren Mittels ist imstande, sein Herz zu erleichtern.
    »Was i mir denkt hab, Mr. Sangsby«, fährt Jo fort, »is, ob Sie leicht recht groß schreiben könnan?«
    »Ja, Jo. Gott sei Dank!«
    »So ganz groß leicht?« fragt Jo eindringlich.
    »Ja, natürlich, mein armer Junge.«
    Jo lacht vor Freude. »Was i mir also denkt hab, Mr. Sangsby, is, wenn i so weit Marschvorwärts gmacht hab, bis s kein Schritt mehr weiter geht, ob S da nicht vielleicht so gut sein möchten, es so ganz groß hinzuschreiben, daß es jeder überall sehgn kan, daß es mir wirklich so arg leid tut, daß is tan hab. Und daß is nie hab net tun wolln und daß Mr. Woodcot drüber geweint hat, und er soll mirs vergeben. Wenn die Schrift es so ganz groß sagn könnt, tut ers vielleicht.«
    »Ich werde schon machen, Jo. Sehr groß!«
    Jo lacht wieder. »I dank Ihnan, Mr. Sangsby. Es is sehr gut von Ihna, Sir, und s is mir jetzt viel wohler, als mir jemals gwesn is.«
    Der gutmütige kleine Schreibmaterialienhändler bleibt mitten in seinem Hüsteln stecken und legt leise seine vierte halbe Krone hin. Er hat einen Fall, wo er so viele brauchte, bisher noch nie vor Augen gehabt, und geht erleichtert fort.
    Jo und er sollen sich auf dieser kleinen Erde nie mehr begegnen.
    Nie mehr. Denn der immer schwerer werdende Lastkarren ist jetzt dem Ziel der Reise nahe und rasselt über steinigen Boden dahin. Das ganze Zifferblatt herum strengt er sich an, die steile und unebne Straße hinaufzukommen, und jeden Augenblick kann er in Trümmer gehen.
    Die Sonne kann nicht mehr oft aufgehen und ihn immer noch auf dem mühseligen Wege sehen.
    Phil Squod mit seinem pulverrauchgeschwärzten Gesicht ist zugleich Krankenwärter und Büchsenmacher und arbeitet an einem kleinen Tischchen in der Ecke. Er sieht sich von Zeit zu Zeit um und sagt mit einem Nicken seiner grünen Wollmütze, seine eine Augenbraue ermutigend in die Höhe gezogen: »Kopf hoch, mein Junge, Kopf hoch!«
    Auch Mr. Jarndyce ist häufig da, und Allan Woodcourt fast immer. Beide denken oft, wie seltsam das Schicksal diesen armen Ausgestoßnen mit den Fäden anderer von seinem so unendlich verschiednen Lebenswege verknüpft hat. Auch der Kavallerist ist ein häufiger Besucher. Er füllt die Tür mit seiner athletischen Gestalt aus und scheint von seinem Überfluß an Leben und Gesundheit Jo, der sich immer bemüht, seinem heiteren Zuruf lauter als andern zu antworten, vorübergehend Kraft zu übertragen.
    Jo schläft heute oder ist halb bewußtlos, und Allan Woodcourt, eben erst angekommen, steht vor ihm und blickt auf die abgezehrte Gestalt herab. Nach einer Weile nimmt er vorsichtig neben dem Bett Platz, das Gesicht dem Kranken zugekehrt – gerade wie damals bei dem Advokatenschreiber –, und fühlt nach der Brust und dem Herzschlag.
    – Der Karren kann fast nicht weiter und schleppt sich nur noch ein Stück fort. –
    Stumm steht der Kavallerist im Torweg. Phil hat mit dem leisen Klopfen aufgehört und hält seinen kleinen Hammer regungslos in der Hand. Mr. Woodcourt sieht sich mit der ernsten Miene des Arztes um, wirft dem Kavalleristen einen bedeutsamen Blick zu und gibt Phil einen Wink, sein Tischchen hinauszutragen.
    – Wenn der kleine Hammer wieder gebraucht wird, wird ein Rostfleck darauf sein. –
    »Nun, Jo! Warum erschrickst du so?«
    »I hab mir denkt«, sagt Jo, der in die Höhe gefahren ist und entsetzt um sich blickt, »i hab mir denkt, i war wieder in 'Toms Einöd'. Ist niemand da als Sie, Mr. Woodcot?«
    »Niemand.«
    »Und man wird mi net wieder nach 'Toms Einöd' bringen, Sir?«
    »Nein.«
    Jo schließt die Augen und brummt vor sich hin:
    »I bin so sehr dankbar.«
    Nachdem Allan ihn eine Weile lang aufmerksam beobachtet hat, legt er den Mund dicht an sein Ohr und fragt ihn mit leiser, aber sehr deutlicher Stimme:
    »Jo! Kannst du beten?«
    »Hab nie nix gwußt, Sir.«
    »Auch nicht ein ganz kurzes Gebet?«
    »Nein, Sir. Gar keins. Mr. Chadbans hat amal bei Mr. Sangsby bet, und i habn ghört. Aber er hat mit sich selber gsprochn und net mit mir. Er hat viel bet, aber i hab n net verstandn. Dann sin auch andre Leut nach 'Toms Einöd' kommen und habn bet. Sie

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