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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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in denen man überall Docks und Kessel, Warenhausspeicher, Drehbrücken und Schiffsmaste erblickte. Endlich hielten wir an der Ecke einer kleinen schlammigen Gasse, die die vom Flusse aufsteigende Ausdünstung nur noch übler riechen machte, und ich sah, wie sich mein Begleiter beim Schein seiner Laterne mit mehreren Personen, die halb wie Polizeileute und halb wie Matrosen aussahen, beriet. An der moderfeuchten Mauer, an der sie standen, klebte ein Zettel mit der Anzeige: »Ertrunken gefunden«; und dies und ein gedruckter Hinweis auf in der Nähe befindliche Schleppnetze erregten in mir einen grauenhaften Verdacht, weshalb wir diesen Ort aufgesucht hatten.
    Ich bezwang mein Herzklopfen, so gut ich konnte, aber was ich an diesem schrecklichen Orte litt, werde ich nie vergessen.
    Es war wie ein grauenhafter Traum. Ein schlammbedeckter Mann mit hohen, vom Wasser wie ein Schwamm aufgeweichten Stiefeln und einem ebensolchen Hut wurde aus einem Boote herbeigerufen und sprach mit Mr. Bucket, der sodann mit ihm einige schlüpfrige Stufen hinabstieg, wie um etwas Geheimnisvolles, das dort lag, anzusehen. Sie kamen wieder und wischten sich die Hände an ihren Röcken ab, als ob sie etwas Feuchtes angefaßt hätten; aber Gott sei Dank, es war nicht das, was ich fürchtete!
    Nach weitern Beratungen ging Mr. Bucket, den alle zu kennen und als eine Art Vorgesetzten zu betrachten schienen, mit den andern in ein Haus und ließ mich im Wagen zurück, während der Kutscher bei den Pferden auf und ab ging, um sich zu wärmen. Die Flut kam den Fluß herauf, wie mich das Plätschern der Wellen erraten ließ, und ich konnte am Ende des Gäßchens die Strömung an den Mauern anschlagen hören. Das Wasser kam niemals bis zu mir; aber mich durchschauderte wohl hundert Mal in der bangen Viertelstunde der Gedanke, daß die Leiche meiner Mutter plötzlich den Pferden vor die Füße geschwemmt werden könnte.
    Mr. Bucket kam wieder heraus, schärfte den andern äußerste Wachsamkeit ein, verfinsterte seine Laterne und nahm seinen Platz auf dem Bock ein. »Beunruhigen Sie sich nicht, Miß Summerson, daß wir hierher gefahren sind«, sagte er, zu mir gewendet. »Ich will nur nichts außer acht lassen und mich selbst überzeugen, daß alles im Zuge ist, indem ich selbst danach sehe. Fahren Sie zu, Kutscher.«
    Wir schienen den Weg, den wir gekommen waren, zurückzufahren. Nicht etwa, daß ich mir in meiner Aufregung besondere Gegenstände gemerkt hätte, sondern mehr nach dem allgemeinen Charakter der Straßen zu schließen. Wir sprachen eine Minute lang an einer andern Polizeistation vor und fuhren abermals über den Fluß. Während der ganzen Zeit, und solange das Suchen dauerte, ließ mein Begleiter, der dicht eingehüllt auf dem Bock saß, auch nicht einen Augenblick in seiner Wachsamkeit nach; aber wie wir über die Brücke fuhren, schien sich seine gespannte Aufmerksamkeit womöglich noch zu verdoppeln. Er stand auf, um über die Brustwehr hinunterzusehen; er stieg ab und ging zurück, einer dunkeln weiblichen Gestalt nach, die an uns vorübereilte, oder spähte in den tiefen schwarzen Abgrund da unten, mit einem Gesicht, das mir das Herz erbeben machte. Grauenhaft sah der Strom aus, wie er so nebelbedeckt und geheimnisvoll rasch und still zwischen den flachen Ufern hinfloß, umdüstert von undeutlichen, grauenhaften Formen, halb Wesenheiten, halb Schatten: so totenähnlich und verschwiegen.
    Ich habe ihn seitdem oft gesehen, bei Sonnen- und bei Mondenschein, aber niemals mehr konnte ich mich von dem Eindruck dieser Reise wieder befreien. Im Geiste sehe ich die Laternen auf der Brücke trübe brennen, der schneidend kalte Wind fegt an dem obdachlosen Weib vorbei, dem wir begegnen, die Räder rasseln eintönig weiter, und im Schimmer der Wagenlampen sieht mich ein bleiches Gesicht an, das aus den dunkeln Wassern emporzusteigen scheint.
    Nachdem wir lange durch die leeren Straßen gefahren waren, kamen wir endlich aus dem Pflaster heraus auf die glatte dunkle Landstraße und ließen allmählich die Häuser hinter uns. Alsbald erkannte ich den mir bekannten Weg nach St. Albans. In Barnet standen frische Pferde für uns bereit, und wir spannten um und fuhren weiter. Es war sehr kalt, und die Gegend lag weit und breit unter einer weißen Schneedecke, wenn es auch jetzt nicht mehr schneite.
    »Ein wohlbekannter Weg für Sie, Miß Summerson«, munterte mich Mr. Bucket auf.
    »Ja, gewiß«, gab ich zurück. »Haben Sie schon etwas in Erfahrung

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