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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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könnte, der mich im Postkutschenbureau abgeholt hatte, und ich freute mich, ihn wiederzusehen, weil er zu meiner gegenwärtigen glücklichen Lage in gewisser Beziehung stand.
    Ich erkannte ihn kaum wieder, so hatte er sich herausgeputzt. Er trug einen funkelnagelneuen Anzug, einen glänzenden Hut, lila Glacehandschuhe, ein vielfarbiges Halstuch, eine große Gewächshausblume im Knopfloch und einen dicken goldnen Ring am kleinen Finger. Außerdem durchduftete er das ganze Speisezimmer mit Bärenpomade und andern Parfümerien. Er betrachtete mich mit einer Aufmerksamkeit, die mich ordentlich verwirrte, als ich ihn bat, sich zu setzen, bis der Bediente wieder herunterkomme. Er saß in einer Ecke, schlug abwechselnd ein Bein über das andre, und so oft ich aufsah, während ich ihn das und jenes fragte, bemerkte ich stets, daß er mich in derselben forschenden und sonderbaren Weise anstarrte.
    Als der Bediente mit der Nachricht, Mr. Boythorn lasse bitten, herunterkam, sagte ich Mr. Guppy, er werde nach Erledigung seiner Geschäfte hier ein Frühstück vorfinden, das Mr. Jarndyce für ihn befohlen habe. Als er den Türgriff schon in der Hand hielt, fragte er ein wenig verlegen:
    »Werde ich die Ehre haben, Sie hier zu finden, Miß?«
    Ich bejahte, und er ging mit einer Verbeugung zur Türe hinaus.
    Ich hielt ihn für etwas linkisch und schüchtern, denn er war sichtlich verwirrt, und glaubte, es sei das beste, zu warten und mich zu überzeugen, ob er alles habe, was er brauche, und dann ihn sich selbst zu überlassen.
    Das Frühstück wurde bald aufgetragen und blieb einige Zeit auf dem Tische stehen. Die Unterredung mit Mr. Boythorn dauerte sehr lange und verlief, wie mir vorkam, sehr stürmisch, denn obgleich sein Zimmer ziemlich entfernt lag, hörte ich seine laute Stimme sich dann und wann wie einen Sturmwind erheben und offenbar volle Breitseiten von Beschuldigungen abgeben.
    Endlich kam Mr. Guppy, wie es schien, von der Konferenz stark mitgenommen, wieder herunter. »O Gott, Miß«, sagte er halblaut zu mir, »das ist ja der reinste Menschenfresser.«
    »Bitte nehmen Sie etwas zu sich, Sir«, sagte ich.
    Mr. Guppy nahm am Tische Platz und begann nervös das Tranchiermesser an der Vorleggabel zu schärfen, wobei er mich immer noch in derselben ungewöhnlichen Weise ansah, wie ich recht wohl merkte, trotzdem ich nicht aufsah. Das Messerwetzen dauerte so lang, daß ich endlich eine Art Verpflichtung fühlte, aufzublicken, um den auf Mr. Guppy liegenden Zauber, der ihn gar nicht aufhören ließ, zu lösen.
    Er blickte sofort auf die Gerichte und fing an, vorzuschneiden.
    »Was darf ich Ihnen anbieten, Miß? Sie werden doch einen Bissen genießen?«
    »Nein, ich danke Ihnen.«
    »Darf ich Ihnen denn gar nichts vorlegen, Miß?« fragte Mr. Guppy und stürzte ein Glas Wein hinunter.
    »Nein, ich danke Ihnen. Ich habe nur gewartet, um zu sehen, ob Sie alles haben, was Sie brauchen. Wünschen Sie noch irgend etwas?«
    »Nein, ich danke Ihnen, Miß. Ich bin Ihnen wirklich sehr verbunden. Ich habe alles, was ich mir nur wünschen könnte... wenigstens... Alles, ach, das hab ich nie.« Er trank noch zwei Gläser Wein hintereinander aus.
    Ich hielt es für angezeigt, zu gehen.
    »Ich bitte um Entschuldigung, Miß«, sagte Mr. Guppy und stand ebenfalls auf, »aber würden Sie nicht die Liebenswürdigkeit haben, mir ein paar Worte unter vier Augen zu gestatten?«
    Ich wußte nicht, was ich antworten sollte, und nahm wieder Platz.
    »Was ich sagen möchte, ist ohne Präjudiz, Miß«, sagte Mr. Guppy und schob in großer Aufregung einen Stuhl an meinen Tisch.
    »Ich verstehe nicht, was Sie meinen«, bemerkte ich verwundert.
    »Es ist einer unsrer juristischen Fachausdrücke. Sie werden doch von der Sache keinen Gebrauch zu meinem Schaden, weder bei Kenge & Carboy noch anderswo, machen? Wenn unsre Unterredung resultatlos verläuft, so bin ich, was ich früher war, und bitte Sie, mir in meiner Stellung oder meinen Zukunftschancen nicht zu schaden. Mit einem Wort, ich spreche im vollsten Vertrauen.«
    »Ich kann mir durchaus nicht vorstellen, Sir, was Sie mir, wo Sie mich nur ein einziges Mal gesehen haben, so im strengsten Vertrauen mitteilen könnten, aber selbstverständlich würde es mir sehr leid tun, wenn ich Ihnen irgendwie einen Schaden zufügen sollte.«
    »Ich danke Ihnen, Miß. Ich bin davon überzeugt... Das genügt vollkommen.«
    Die ganze Zeit hindurch polierte sich Mr. Guppy entweder die Stirn mit seinem Taschentuch oder

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