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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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überwältigt hatte.
    Pfeffer wird in Cook's Court nicht mehr gesehen. Niemand erwartet ihn dort mehr, denn er liegt seit einem Vierteljahrhundert auf dem St. Andreaskirchhof in Holborn, wo die Wagen- und Fiakerreihe den ganzen Tag und die halbe Nacht an ihm vorüberbraust wie ein einziger großer Lindwurm.
    Wenn er sich jemals fortstiehlt, während der Lindwurm schlummert, um in Cook's Court wieder die alte Luft zu atmen, bis ihn das Krähen des sanguinischen Hahnes in dem Keller der kleinen Milchwirtschaft zur Rückkehr mahnt, dessen Ansichten über das Tageslicht sehr interessant zu hören sein müßten, da ihn seine persönlichen Beobachtungen so gut wie nichts darüber gelehrt haben, – wenn Pfeffer wirklich jemals die fahle Dämmerung von Cook's Court wieder besucht, was keiner seiner Berufsgenossen mit Bestimmtheit in Abrede stellen kann, so kommt er unsichtbar, und niemand wird durch sein Kommen dümmer oder klüger.
    Während seiner Lebenszeit und auch während Snagsbys Lehrkursus von sieben langen Jahren wohnte bei Pfeffer dessen Nichte, eine kleine, zänkische Nichte, ein wenig zu gewaltsam in der Taille geschnürt und mit einer Nase so scharf wie ein Herbstabend, an dem es frostig werden will.
    Bei den Cookshöflingen ging das Gerücht, daß die Mutter der Nichte, als diese noch ein Kind war, von einem allzu großen Eifer beseelt, ihrer Tochter eine vollendete Figur zu verleihen, sie jeden Morgen, des festeren Haltes wegen den mütterlichen Fuß gegen die Bettpfoste gestemmt, eingeschnürt und ihr innerlich Essig und Zitronensaft flaschenweise eingeflößt habe; und die Säuren, hieß es, hätten sich der Nichte auf Nase und Charakter geschlagen. Welche der vielen Zungen der Fama die Urheberin dieses vagen Gerüchtes auch gewesen sein mag, jedenfalls erreichte es nie die Ohren des jungen Snagsby oder machte auf ihn einen besonderen Eindruck. Zum Manne geworden, hatte er um den schönen Gegenstand des Gerüchtes geworben, ihn gewonnen und so zwei Verbindungen auf einmal geschlossen.
    Mr. und Mrs. Snagsby sind nicht nur ein Leib und eine Seele, sondern der Meinung der Nachbarn nach auch nur eine einzige Stimme.
    Diese Stimme, die nur von Mrs. Snagsby zu kommen scheint, wird oft in Cook's Court vernommen. Mr. Snagsby dagegen wird seltener gehört.
    Er ist ein stiller, kahlköpfiger, schüchterner Mann mit einer glänzenden Platte, die hinten in einen bürstenartigen Schopf von schwarzem Haar ausläuft. Er neigt zur Sanftmut und Wohlbeleibtheit. Wenn er in seiner Tür in Cook's Court in seinem grauen Ladenrock und den schwarzen Schreibärmeln steht und die Wolken betrachtet oder hinter einem Pult in seinem dunkeln Laden mit einem schweren Lineal in Gesellschaft seiner beiden »Stifte« Pergament beschneidet, ist er so recht das Bild eines stillen und anspruchslosen Mannes.
    Unter seinen Füßen ertönt zu solchen Zeiten, wie von einem ruhelosen Geist stammend, häufig schrilles Klagen und Jammern von der bereits erwähnten Stimme, und wenn es lauter wird als gewöhnlich, äußert Mr. Snagsby zuweilen gegen seine »Stifte«: »Ich glaube, meine Alte gibt es der Guster.«
    Diesen Namen, den Mr. Snagsby immer buchstäblich so ausspricht, wollen die witzigen Cookshöflinge von dem alten Wort Gust, Sturmwirbel, abgeleitet wissen und behaupten dabei, daß eigentlich Mrs. Snagsby von Rechts wegen so heißen sollte. Der Name ist jedoch das einzige Eigentum mit Ausnahme eines Lohnes von fünfzig Schillingen pro Jahr und einem sehr kleinen, spärlich mit Kleidern gefüllten Koffer eines hagern jungen Mädchens aus einem Armenhaus, das wahrscheinlich Auguste hieß. Obgleich sie während der Zeit ihres Wachstums bei einem liebenswürdigen Wohltäter der wohlbekannten Sorte im Waisenasyl von Tooting untergebracht gewesen und sich natürlich unter außerordentlich günstigen Bedingungen entwickelte, hat sie doch Anfälle, die sich die Kirchspielbehörde nicht erklären kann.
    Guster, in Wirklichkeit nur drei- oder vierundzwanzig Jahre alt, aber gute zehn Jahre älter aussehend, ist in Anbetracht ihrer rätselhaften Anfälle billig zu nennen; sie fürchtet so sehr, wieder zu ihrem Schutzheiligen zurückgeschickt zu werden, daß sie ununterbrochen arbeitet, außer, wenn man sie mit dem Kopf im Eimer, dem Ausguß, einem großen Kessel, einer Schüssel oder sonst irgendeinem Gegenstand, der zur Zeit ihres Anfalls zufällig in der Nähe steht, findet.
    Sie wirkt beruhigend auf die Eltern und Vormünder der »Stifte«, die

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