Bleakhouse
rieb sich sehr erregt die Hände.
»Wenn Sie mir gestatten würden, noch ein Glas Wein zu trinken, Miß, so würde es mich instand setzen, fortzufahren, ohne von dem beständigen Würgen in der Kehle gehindert zu werden, das für uns beide nur unangenehm sein kann.«
Er stand auf, trank und kam wieder zurück. Ich benützte die Gelegenheit, um mich möglichst hinter dem Tisch zu verschanzen.
»Sie würden mir also nicht erlauben, Ihnen ein Glas anzubieten, Miß?« fragte Mr. Guppy, sichtlich erfrischt.
»Ich danke.«
»Auch nicht ein halbes Glas? Ein Viertel?«
»Nein!«
»Also vorwärts. Mein gegenwärtiges Gehalt bei Kenge & Carboy, Miß Summerson, beträgt zwei Pfund wöchentlich. Als ich zuerst das Glück hatte, Sie zu sehen, betrug es 1 £ 15 sh. und war schon längere Zeit auf dieser Höhe geblieben. Seitdem hat eine Erhöhung von 5 sh. stattgefunden, und eine weitere von 5 sh. ist mir nach Ablauf eines Termins, der zwölf Monate vom heutigen Tag an nicht übersteigen soll, garantiert. Meine Mutter hat ein kleines Vermögen in Form einer kleinen Leibrente; sie lebt davon in unabhängiger, wenn auch bescheidener Weise in Oldstreet-Road. Sie eignet sich vortrefflich zu einer Schwiegermutter. Sie mischt sich nie ein, ist sehr für den Frieden und gutmütig. Sie hat ihre Fehler – wer hätte keinen –, aber ich wüßte nie, daß sie es in Gesellschaft getan hätte, und wenn Gesellschaft da ist, können Sie ihr hinsichtlich Wein, Likör oder Bier das vollste Vertrauen schenken. Ich selbst habe meine Zimmer in Penton-Place, Pentonville, und es ist eine bescheidene, aber luftige Wohnung nach hinten hinaus mit der Aussicht ins Freie und in einer der gesündesten Lagen... Miß Summerson!... Gelinde gesagt, ich bete Sie an! Wollen Sie mir freundlichst gestatten, Ihnen, um mich juristisch auszudrücken, eine Erklärung zu unterbreiten, Sie um Ihre Hand zu bitten?«
Mr. Guppy sank vor mir auf die Knie nieder. Ich fühlte mich hinter meinem Tisch sicher und war nicht sonderlich erschrocken. Ich sagte:
»Machen Sie dieser lächerlichen Szene ein Ende, Sir, oder Sie nötigen mich, mein gegebenes Versprechen zu brechen und zu klingeln.«
»Lassen Sie mich ausreden, Miß«, flehte Mr. Guppy und faltete bittend die Hände.
»Ich kann nicht ein Wort mehr anhören, Sir, wenn Sie nicht sofort aufstehen und sich wieder an den Tisch setzen.«
Er sah mich mit einem kläglichen Blick an, stand aber langsam auf und setzte sich an den Tisch.
»Welch ein Hohn des Schicksals, Miß«, sagte er, die Hand auf dem Herzen und mich über den Speisetisch hinüber melancholisch anblickend, »in einem solchen Augenblick am Eßtisch zu sitzen. Die Seele stößt in solchen Augenblicken die Nahrung von sich, Miß!«
»Ich bitte Sie, aufzuhören«, sagte ich. »Sie haben mich gebeten, Sie zu Ende zu hören, und ich muß Sie bitten, jetzt Schluß zu machen.«
»Ich will es tun, Miß. Wen ich liebe und ehre, dem gehorche ich auch. Wollte Gott, ich könnte Sie zum Gegenstand dieses Gelübdes vor dem Altare machen.«
»Das ist ganz unmöglich und vollkommen ausgeschlossen.«
»Ich weiß es«, sagte Mr. Guppy, beugte sich über das Servierbrett und starrte mich wieder mit dem alten gespannten Blick an, wie ich seltsamerweise fühlte, obgleich ich ihn nicht ansah. »Ich weiß allerdings, daß vom rein materiellen Gesichtspunkt aus alles, was ich zu bieten vermag, nur armselig ist. Aber Miß Summerson! Engel! – Nein, bitte klingeln Sie nicht! – Ich bin in einer harten Schule aufgewachsen und in allen möglichen Sätteln gerecht. Obgleich noch jung, habe ich schon mancherlei Beweise aufgespürt, Material gesammelt und das Leben vielfach kennengelernt. An Ihrer Seite, was könnte ich da nicht alles ausfindig machen, Ihre werten Interessen zu fördern. Was könnte ich nicht alles in Erfahrung bringen, was Sie nahe angeht! Allerdings weiß ich jetzt noch nichts, aber was könnte ich nicht alles herausbringen, wenn ich Ihr Vertrauen besäße und Sie mir ein Sporn wären!«
Ich sagte ihm, daß er sich an mein Interesse oder an das, was er für mein Interesse halte, ebenso erfolglos wende wie an meine Neigung und daß ich ihn jetzt auf das entschiedenste bitten müsse, sich gefälligst sofort zu entfernen.
»Grausames Fräulein. Nur noch ein einziges Wort! Ich glaube, Sie müssen gesehen haben, wie Ihre werten Reize schon an dem Tag, wo ich am Whytorseller wartete, mein Herz in Fesseln schlugen. Sie müssen doch bemerkt haben, daß ich
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