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Bleeding Violet - Niemals war Wahnsinn so verfuehrerisch

Titel: Bleeding Violet - Niemals war Wahnsinn so verfuehrerisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dia Reeves
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nicht. Ich habe da nämlich verschiedene Möglichkeiten in Aussicht.« Eine einzige, und das war eine lausige. Aber sie musste ja schließlich nicht alles wissen. »Ich war mit diesem total beliebten Jungen und seinen Freunden beim Mittagessen. Und ich weiß genau, dass der total auf mich steht.« Tat er ja auch. Dumm nur, dass er sich so danebenbenommen hatte und überhaupt nicht der nette Kerl war, nach dem er aussah.
    Eine Weile herrschte Stille, dann biss Rosalee wieder in ihren Apfel und kaute ausführlich. Schluckte. »Weißt du, mit jedem gleich ins Bett zu gehen, hat nichts damit zu tun, dass man dazugehört.«
    Wenn das jemand anderes als meine Mutter zu mir gesagt hätte, ich hätte ihr eine runtergehauen. Aber sie war nun mal meine Mutter.
    Milch und Kekse verloren ihren Reiz. »Ich hab nicht nur Sex im Angebot«, sagte ich so leise, dass ich mich selbst kaum hören konnte.
    »Aber es ist das Einzige, was sie wollen.« Rosalee schien all den sexhungrigen Männern da draußen in der Welt einen finsteren Blick durch das Panoramafenster zuzuwerfen. »Mal abgesehen davon, was hast du denn noch im Angebot?«
    »Vertrauen. Zuneigung. Respekt.« Ich schob die vergiftete Nachmittagsmahlzeit über den Tisch. »Muss schwer sein, über Qualitäten nachzudenken, die man selbst nicht hat.«
    Rosalees Hand klammerte sich fester um ihren Apfel. Einen Moment lang dachte ich, sie würde ihn nach mir werfen. »Geh und nimm deine Pillen«, sagte sie. Ihre Stimme klang dabei so ausdruckslos, wie ihr Gesicht war.
    Ich nahm tatsächlich meine Pillen, aber nicht die, an die sie gedacht hatte. Ich ging nach oben und schluckte vier Schlaftabletten, um mich dann auf mein Lager zu werfen. Während die Sonne immer tiefer sank, sah ich zu, wie das Licht immer schwächer wurde. Aber mehr noch sah ich auf die Schachtel mit den Schlaftabletten, die ich wieder auf das Regal gestellt hatte. Ganz egal, wie schwer mein Arm war, wie müde mein Herz, wie verschwommen die Schachtel. Es wäre so leicht, die restlichen vier Tabletten zu schlucken. Oder mehr. Wenn ich nur danach greifen …
    Ein scharfer Schmerz durchzuckte meine Hand, als Schwänin zwischen mir und der Schachtel landete, die Schwingen ausgebreitet, die Federn gesträubt. Sie sah mich düster an. An ihrem harten gelben Schnabel war ein Blutfleck, dasselbe Blut, das nun aus meinem wunden Handrücken floss. Sie schrie wütend.
    »Du hast mir gar nichts zu sagen«, murmelte ich. Ich brachte die Worte kaum richtig heraus, weil die Pillen schon anfingen, ihre wundersame Wirkung zu entfalten.
    Schwänin schaufelte die Pillenschachtel in ihren Schnabel und schluckte das gesamte Ding runter, als handele es sich um einen besonders leckeren Fisch. Das war das Letzte, was ich sah, bevor mich der Schlaf wegtrug. Ich war froh darüber, weggetragen zu werden.
    Von einem Vogel ausgetrickst.
    Wie erniedrigend.

8

    »Hanna!«
    Ich wachte erschrocken auf. Rosalee schüttelte meinen Fuß wie eine Kastagnette. Ich strampelte mich frei und trat nach ihr, aber sie reagierte blitzschnell und wich mir mühelos aus.
    »Bist du jetzt wach?«
    »Was glaubst du?« Ich hätte gerne mit meinem Kissen nach ihr geworfen, aber ich hatte keins. Ich hatte gar nichts.
    Ich drehte mich auf den durchgeschwitzten, zerwühlten Decken um und versuchte, mein Herz dazu zu bringen, langsamer zu schlagen und den Schmerz in meiner Hand zu stoppen. Gelbes Licht fiel von draußen durch die Tür in den dunklen Raum. Ich sah Schwänin oben auf dem Regal in all ihrer hölzernen Herrschaftlichkeit. Ihr langer Hals war gerade wie ein Lineal. Ihre Flügel hatte sie eng an ihren Körper gelegt, sie leuchteten im Halbdunkel. »Du hättest nicht so fest zubeißen müssen«, murmelte ich.
    »Was?« Rosalee sah mich aufmerksam an.
    »Nichts.« Ich zog meine Knie zur Brust. Mein Kleid fühlte sich feucht und klebrig an. Ich fröstelte. »Wie spät ist es?«
    »Fast sechs.«
    »Sechs Uhr morgens?«
    »Ich dachte mir, dass du keinen Wecker hast, deshalb habe ich dir einen raufgebracht. Ich hätte dir wohl auch ein Nachthemd mitbringen sollen.« Sie zog eine der Decken hervor, breitete sie aus und deckte mich damit zu. Dann stellte sie den tickenden Aufziehwecker in das Regal.
    Und dann ging sie nicht, sondern kniete sich wieder zu mir. Ihr nuttiges schwarzes Kleid hatte sie gegen einen flauschigen roten Schlafanzug getauscht.
    »Ich wollte mich mit dem Wecker nur schnell reinschleichen«, sagte sie, »aber du hast dieses Geräusch

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