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Bleeding Violet - Niemals war Wahnsinn so verfuehrerisch

Titel: Bleeding Violet - Niemals war Wahnsinn so verfuehrerisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dia Reeves
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gesehen.«
    Hinter mir hupte es, und ich erschrak. Die Ampel war jetzt grün. Ich fuhr weiter.
    Was für eine unfreundliche Stadt. Unfreundlich und seltsam.

    Ich hatte das Rad gerade weggestellt und war dabei, die Garagentür zu schließen, als ein gelber Jaguar in die Auffahrt einbog. Hinter dem Steuer saß ein Mann mit gegeltem Haar und einem glänzenden grauen Anzug. Der Wagen kam gerade zum Stehen, da riss Rosalee auch schon die Beifahrertür auf und stieg aus. Sie trug hochhackige Schuhe und ein nuttiges schwarzes Kleid.
    »Ruf mich morgen an!«, rief der Mann ihr zu und züngelte ihr nach wie eine Schlange, als wollte er die Luft schmecken, die Rosalee eben noch geatmet hatte.
    Nachdem der Schlangenmann weggefahren war, ging ich in die Küche. Rosalee trank gerade ein Glas Wein aus. Zwei glänzende, rote Haarspangen hielten ihre dicken Locken aus dem Gesicht, und sie hatte die hohen Schuhe ausgezogen. Mit den Spangen und den nackten Füßen sah sie sehr jung aus, wie ein kleines Mädchen, das schon lange aus seinen Kleidern herausgewachsen war.
    »Bisschen früh für ein Date, oder?«, fragte ich sie. Wir konnten nicht beide wie junge Mädchen sein. Eine musste die Erwachsene sein.
    »Ich hab keine Dates.« Rosalee korkte die Weinflasche zu und stellte sie in das Regal neben der Theke. »Nicht, dass es dich etwas angehen würde.« Ihre Augen verengten sich. »Was ist mit deinem Finger passiert?«
    Die Schulkrankenschwester war zwar nicht so weit gegangen, mich ein Baby zu nennen, aber sie hatte gesteigerten Wert darauf gelegt, mir ein Teletubbies-Pflaster auf mein »Aua« zu kleben, obwohl es ein normales auch getan hätte. »Nur ein Kratzer«, sagte ich ihr. Ich wollte mich nicht vom Thema abbringen lassen. »Wenn der Typ da nicht dein Date war, was war er dann?«
    Rosalee nahm die Spangen aus dem Haar und ließ ihr Gesicht hinter den Locken verschwinden. Sie rieb den fast schon grell leuchtenden Knutschfleck, der ihren Hals verzierte. »Arbeit.«
    Ich fiel auf den roten Stuhl und versuchte, die Flut von peinlichen Bildern aufzuhalten, die mein Gehirn überschwemmten.
    Meine eigene Mutter. Eine Nutte.
    Hatte Poppa das gewusst? War er ihr Kunde gewesen? Kein Wunder, dass sich Rosalee nie für ihn interessiert hatte. Und nie für mich.
    »Willst du einen Kaffee?«
    »Ähm … ja.« Ich hatte von nun an kein Problem mehr damit, ihr ins Gesicht zu sehen. Sie war immer noch wunderschön, aber die leuchtende, verzückende Aura, die sie umgeben hatte, hatte nachgelassen. »Ich meine, nein«, sagte ich schnell. »Ich kann keinen Kaffee mehr trinken. Er verträgt sich nicht mit meinen Medikamenten.«
    Rosalee ging zum Kühlschrank. »Dann hol ich dir Milch. Finnen lieben Milch. Das hat jedenfalls Joosef immer gesagt. Hier.« Sie warf mir eine Schachtel Famous-Amos -Kekse zu.
    Ich starrte die Schachtel verwundert an. »Milch und Kekse, Mom? Wirklich?«
    Sie stellte mir die Milch vor die Nase. »Iss und sei still.«
    »Aber das ist genau wie im Fernsehen!«
    »Wie? Verlogen und ungesund?«
    Sollte sie ruhig sarkastisch sein. Ich war überglücklich. Der schreckliche Tag, den ich hinter mir hatte, war es fast wert gewesen, um nun märchenhaft mit Milch und Keksen hier zu sitzen und mich zum ersten Mal in Rosalees Gegenwart wohlzufühlen.
    »Was ist eine Frem?«, fragte ich.
    »Jemand Fremdisches.« Sie nahm einen Apfel und lehnte sich neben das Panoramafenster, weil sie nicht mit mir am Tisch sitzen konnte. »Alles, was fremdisch ist. Wie eine Eintagsfliege.«
    Ich wusste, was Eintagsfliegen waren. Ich hatte sie zur Genüge während der trägen Sommer an unserem Seehaus in Finnland gesehen. In riesigen Schwärmen stiegen sie wie dunkler Nebel von den Seen auf, paarten sich in der Luft in geflügelter orgiastischer Hemmungslosigkeit, nur um anschließend erschöpft zurück ins Wasser zu fallen. Erschöpft und tot. Ein gesamtes Leben wurde in ein paar Stunden komplett durchgespielt.
    Aber was zum Teufel war an mir bitte schön eintagsfliegenmäßig?
    Rosalee polierte den Apfel an dem winzigen Stückchen Stoff, das ihre Brust bedeckte. »Wie hat es heute in der Schule geklappt?«
    »Nicht so toll, ehrlich gesagt.«
    »Das dachte ich mir schon.« Triumphierend biss sie in ihren Apfel. »Deshalb habe ich dich in die Schule geschickt. Mir war klar, dass du es am besten selbst versuchst und daran scheiterst. So etwas findet man besser selbst raus.«
    »Und was finde ich heraus?«
    »Dass du nicht hierhergehörst.«
    » Noch

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