Bleep - oder wie man Spiritualität mit 3 Whisky-Cola verbindet
aber seine Ausstrahlung war so gewaltig, dass sie den ganzen Raum erfüllte. Lächelnd saß er vor uns, und seine Präsenz war so gewaltig, dass sie alles und alle im Raum berührte. Eine unglaubliche Erfahrung!
Er erzählte uns, dass es selbst im Zustand permanenter Erleuchtung immer wieder neue Elemente zu entdecken und immer wieder neue geistige Räume zu erforschen gilt. Als wir ihn ungläubig anschauten, erklärte er uns geduldig, dass es jenseits der Erleuchtung Welten um Welten gibt. Er war in die Unendlichkeit des Seins eingetreten.
Dieser große Meister, vor dem ich die größte Hochachtung habe, verblüffte uns zum Beispiel mit der Aussage, dass auch Götter streiten. Es war für mich unglaublich eindrücklich, aus diesem berufenen Munde zu hören, dass nach der Erleuchtung nicht alle Probleme verschwinden und man ständig einen halben Meter über dem Boden schwebt, sondern dass der Alltag immer noch da ist und gemeistert werden will.
Wer also glaubt, dass nach der Erleuchtung alles leicht und locker sein wird, den muss ich an dieser Stelle enttäuschen. Es wäre ja vielleicht schön, wenn es so wäre, aber so ist es nun einmal nicht. Auch ziehen wir nun nicht plötzlich nur noch Menschen an, die freundlich lächelnd nur unser Bestes wollen – nach dem Motto »Gleich und gleich gesellt sich gern« oder wie die Amerikaner sagen »Birds of a feather flock together« (Vögel gleichen Gefieders gehören demselben Schwarm an). Wir begegnen auch weiterhin Herausforderungen, an denen wir wachsen können. Und das heißt eben auch, dass wir uns mit Menschen und Situationen auseinandersetzen müssen, die uns möglicherweise als unangenehm erscheinen mögen.
Ebenso »wahr« ist nach meiner eigenen Erfahrung aber auch, dass wir immer mehr Gleichgesinnten begegnen dürfen, dass aber auch unsere Herausforderungen »wachsen«. Je höher der Bewusstseins- und damit Reifegrad eines Menschen ist, desto größer werden auch die Herausforderungen sein, vor die er sich gestellt sieht. Das kann man an der gesamten Tibetproblematik und dem Schicksal des Dalai Lama besonders gut sehen.
Ich möchte noch auf den Unterschied zwischen dem Dalai Lama und seinem ehemaligen Lehrer in Bezug auf ihre Präsenz eingehen. Was ich bei Chogye Trishen Rimpoche wahrgenommen hatte, hatte ich noch niemals zuvor gespürt. Er hatte in einer Ecke des Raumes gesessen, aber sein Bewusstsein hatte den gesamten Raum erfüllt. Ich konnte die Präsenz, die ich bei seinem Lehrer gespürt hatte, beim Dalai Lama nicht spüren, obwohl ich darauf gehofft hatte. Das mag wohl daran liegen, dass der Lehrer sich auf nichts anderes konzentriert als auf seine spirituelle Entwicklung, während der Dalai Lama ja als religiöses wie weltliches Oberhaupt der Tibeter unzählige andere Pflichten hat, für die er seine eigene spirituelle Praxis zwangsläufig vernachlässigen muss. Als Mensch hat er eine wirklich tolle Ausstrahlung, aber diese übergeordnete Präsenz, dank der ich den Meister in jeder Ecke des Raumes und mit jeder Faser meines Körpers gespürt hatte, die erlebte ich beim Dalai Lama nicht.
Der Alltag ist die Meditation
Ich glaube fest daran, dass Meditation nicht bedeutet, auszusteigen und beispielsweise nach Asien zu verschwinden, um dort im Himalaja Erleuchtung zu suchen, sondern dass gerade der Alltag die eigentliche Meditation ist. Das Leben, in das wir hineingeboren wurden, mit all seinen Freuden und Leiden, mit seinen speziellen Herausforderungen, ist Gegenstand der Meditation – ist die Meditation selbst. Und das heißt für viele von uns, dass wir die Ruhe mitten in der Hektik des Berufslebens, die Stille auf einem Rockkonzert, Mitmenschlichkeit im härtesten Konkurrenzkampf, Liebe inmitten von Gleichgültigkeit, Feindseligkeit und Gewalttätigkeit finden dürfen.
Wer in der Stille eines Klosters nicht erleuchtet wird, dem ist wohl nicht mehr zu helfen. Als zeitweiliger Rückzugsort mag ein Kloster wohl nützlich sein, aber auf Dauer kommt niemand darum herum, seine Mitte in Beziehungskrisen, Kindergeschrei und beruflichem Dauerstress zu finden. Alle großen Meister haben gesagt, dass das ganze Leben zur Meditation werden muss. Unabhängig von dem, was man tut, wofür man sich interessiert, womit man sein Geld verdient, kann man erkennen, dass alles miteinander verbunden ist, dass wir nicht wirklich voneinander getrennt, sondern eins sind. Wenn man das erkennt, hat man das große Ziel erreicht. Was dann kommt? Schau’n wir mal …
Nun
Weitere Kostenlose Bücher