Bleep - oder wie man Spiritualität mit 3 Whisky-Cola verbindet
vermeiden sollte.
Dass man der Welt entsagen müsse, halte ich schlicht und einfach – man möge mir vergeben – für »Quatsch«, aber für Quatsch in Anführungszeichen. Warum Quatsch in Anführungszeichen? In den meisten heiligen Schriften steht, dass man der Welt entsagen müsse, aber ich bin davon überzeugt, dass man, wenn man der Welt eine Zeit lang entsagt und sein Ziel erreicht hat, in die Welt zurückkehren kann – ja sogar muss – und alles wieder machen darf.
Wer weiß, wer er ist, der wird sich nicht wieder so leicht durch die Verlockungen der Welt vom Weg abbringen lassen. Er mag Wein trinken, aber er wird nicht mehr versuchen, sich mit Alkohol zu betäuben. Er mag sich für Fußball interessieren, aber er wird sich nicht mehr nur mit »seiner« Mannschaft identifizieren. Er mag Karriere machen und viel Geld verdienen, aber er wird deswegen nicht mehr seine Familie vernachlässigen.
Das wurde wohl nie schöner beschrieben, als im bereits 1922 erschienenen Buch Siddhartha von Hermann Hesse. Dort sagt Siddhartha nach seiner Erleuchtung: »So ist es, wenn Siddhartha ein Ziel, einen Vorsatz hat. Siddhartha tut nichts, er wartet, er denkt, er fastet, aber er geht durch die Dinge der Welt hindurch wie der Stein durchs Wasser, ohne etwas zu tun, ohne sich zu rühren: Er wird gezogen, er lässt sich fallen. Sein Ziel zieht ihn an sich, denn er lässt nichts in seine Seele ein, was dem Ziel widerstreben könnte.«
Rückzug auf Zeit
Eines ist wohl unbestritten: Je weniger Ablenkung man hat, desto besser kann man sich auf ein Ziel konzentrieren. Wenn man zum Beispiel am nächsten Tag einen Abgabetermin für einen Artikel hat, ist es sicherlich besser, sich in sein Büro zurückzuziehen, das Handy abzustellen, die Familie zu bitten, die nächsten Stunden nicht zu stören, und sich dann ganz auf die vor einem liegende Aufgabe zu konzentrieren.
Eine Diplomarbeit wird nie fertig werden, wenn man immer nur sehnsüchtig aus dem Fenster schaut und sich vorstellt, was man bei dem schönen Wetter alles tun könnte. Und wenn dann das Telefon klingelt und man sich mit den Freunden zum Fußballspielen trifft, danach ein paar Biere kippt – oder in meinem Fall zwei oder drei Whisky-Cola – und mitten in der Nacht angetrunken nach Hause getorkelt kommt, ist man seinem Ziel kein Stückchen näher gekommen. Das heißt, um ein Ziel zu erreichen – und zwar ganz egal welches –, muss man sich darauf konzentrieren. Daher kann es durchaus sinnvoll sein, sich eine Zeit lang aus dem normalen Alltag zurückzuziehen und zum Beispiel ein Seminar zu besuchen oder an einer Meditationsklausur teilzunehmen.
Um ein Ziel zu erreichen – und zwar ganz egal welches –, muss man sich darauf konzentrieren. Daher kann es durchaus sinnvoll sein, sich eine Zeit lang aus dem normalen Alltag zurückzuziehen.
Dort kann man sich ganz auf sich selbst konzentrieren und spüren, wie man in bestimmten Situationen reagiert, wie man mit bestimmten Herausforderungen umgeht, wodurch die berühmten Knöpfe gedrückt werden und so weiter. Aber nicht nur die Innenwelt kann so intensiver wahrgenommen werden, sondern auch die Außenwelt. So habe ich zum Beispiel einmal auf einem Seminar erlebt, wie ich eins mit einer Blumenwiese wurde.
Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen und noch einmal ganz langsam sagen: Ich habe erlebt, wie ich eins mit einer Blumenwiese wurde.
Bevor ich erzähle, wie es dazu kam, muss ich vorausschicken, dass ich als typischer Kopfmensch ja solchen Dingen eigentlich extrem skeptisch gegenüberstehe. Aber ich war auf einem Seminar, das zehn Tage lang dauern sollte, und hatte mich bereits seit mehreren Tagen gezwungenermaßen ganz auf mich selbst konzentriert. An diesem Tag hatte uns der Seminarleiter mit der Aufgabe nach draußen geschickt, eine Stunde lang die Blätter eines Baumes nicht nur anzuschauen, sondern uns in sie hineinzufühlen. Wer schon einmal eine Stunde lang meditiert hat oder auf etwas geschaut hat, weiß, dass eine so verbrachte Stunde mehrere Ewigkeiten lang ist.
Als ich hörte, was wir machen sollten, dachte ich als Erstes: »Na, hoffentlich muss ich den Baum nicht auch noch umarmen! Soll ich jetzt etwa noch seine Energie aufsaugen und davonschweben?« Und dann sah ich natürlich auch einige Teilnehmerinnen, die offensichtlich professionelle Baumumarmerinnen waren, schleunigst los eilen und auf den nächsten Baum zustürzen, um ihn mit ihrer ganzen Liebe zu überschütten.
Ich redete mir
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