Bleib bei mir, Gabriella
einen Stift aus der Handtasche und schrieb ihren Namen etwa zwanzig Mal. Danach verabschiedete sie sich von allen, umarmte Libby und bat sie, ihr Fotos von sich in den neuen Sachen zu schicken. Dann nickte sie Rafe zu. „Ich bin so weit.“
Er nahm ihren Arm und eilte mit ihr den Pfad entlang. Kurz vor dem Speisesaal bog er ab. „Hier entlang.“
„Aber Ihr Wagen …“
Plötzlich hörte auch Gabby Stimmen und begriff, dass er einen Fluchtweg nahm.
Rafe packte sie an der Hand und rannte los. Zu seiner Überraschung hielt sie mühelos mit ihm Schritt. Sie ließen die Blockhäuser hinter sich und erreichten den Parkplatz, auf dem der Übertragungswagen eines Fernsehsenders stand. Er brauchte ihr nicht zu erklären, dass sie sich beeilen mussten. Sie stiegen ins Auto, er startete den Motor und fuhr in einer Staubwolke davon.
Jetzt erst warf er einen Blick in den Rückspiegel, bevor er auf den Interstate Highway einbog. „Sie haben Glück gehabt.“
„Kompliment – Sie haben gute Ohren. Sie haben sie vor mir gehört.“
Er runzelte die Stirn. „Sie nehmen das hier nicht ernst genug.“
„Manchmal muss ich eben ein Risiko eingehen, Rafe. Sonst müsste ich mich dauernd in einem Hotelzimmer verbarrikadieren. Das wäre doch kein Leben.“
Auf der ganzen Rückfahrt dachte Rafe über ihre Worte nach. Er war schon vorsichtig zur Welt gekommen, und seit Connie aus einem vorbeifahrenden Wagen heraus erschossen worden war, war er sogar noch vorsichtiger und misstrauischer geworden. Vielleicht wurde er gerade deswegen engagiert. Seine Kunden wussten, dass er nie leichtsinnig wurde. Dennoch fragte er sich, ob all die Vorsicht ihn an einem erfüllten Leben gehindert hatte.
Auch Gabby wirkte nachdenklich. Es war besser, wenn sie nicht redeten. Er brauchte nicht mehr über sie zu wissen, als unbedingt nötig. Und sie nicht über ihn. Er war ihr Bodyguard, sie sein Schützling.
Das sagte er sich auch dann noch, als er hinter dem Hotel parkte und sie im Fahrstuhl nach oben fuhren. Zu ihrer Suite. Wünschte er, es wäre seine Suite, in die er sie brachte?
Er verdiente genug Geld, aber er brauchte nicht viel. Was würde sie von seiner Wohnung in New York halten, die mehr ein Zwischenstopp als ein Zuhause war?
Als sie die Suite betraten, ging Gabby sofort ins Schlafzimmer.
Rafe hörte den Anrufbeantworter ab. Eine Nachricht war von Penny McCord, eine von einer Zeitung, die ein Interview von ihr wollte, die dritte von ihrer Mutter.
Er war nicht Gabriella McCords Sekretär, aber es gehörte zu seinem Job, anonyme Anrufe abzufangen. Gewissenhaft schrieb er auf, was sie wissen musste, und ging mit den Zetteln zum Schlafzimmer. Dann klopfte er kurz und ging hinein, in Gedanken noch bei den Anrufen, vor allem dem ihrer Mutter.
Wir können es kaum erwarten, dass du nach Hause kommst. Dad und ich vermissen dich. Ruf mich zurück, sobald du etwas Zeit hast, Bambina.
Rafe hörte Gabbys Aufschrei, bevor er sah, dass sie die Bluse aufgeknöpft hatte. Ihr BH war eine Kreation aus weißer Spitze, die seine Fantasie befeuerte.
„Sie haben mehr an als auf dem Foto in der Boulevardpresse“, sagte er, um von seiner Verlegenheit abzulenken.
Sie wurde blass und sah aus, als wollte sie im Erdboden versinken.
Sofort bereute er seine Bemerkung. Offenbar hatte sie kein so dickes Fell, wie er angenommen hatte.
Er ging auf sie zu, den Blick auf ihr Gesicht gerichtet. „Wie lautet die wahre Geschichte hinter dem Foto?“
Sie musterte ihn, als würde sie sich fragen, warum er das wissen wollte. Er war sich da selbst nicht sicher.
„Ich möchte nicht darüber reden“, sagte Gabby leise und wirkte plötzlich wie eine junge Frau, die sich auf etwas eingelassen hatte, was sie überforderte.
Rafe wusste nur, dass er gehen musste. Jetzt. Bevor er sie an sich zog und küsste. Er reichte ihr seine Notizen. „Den Anruf Ihrer Mutter sollten Sie sich vielleicht anhören. Sie scheint Sie wirklich zu vermissen.“
Zu seiner Verblüffung kamen Gabby die Tränen. Sie blinzelte sie fort. Tat sie das oft? Ließ sie sich nie anmerken, was sie wirklich fühlte?
Er durfte sie nicht in die Arme nehmen. Aber er konnte sie berühren. Obwohl ihm klar war, dass er damit das Schicksal herausforderte, strich er mit dem Handrücken behutsam über ihre Wange. Die Haut fühlte sich weich an, und er war ihr so nahe, dass er die Sommersprossen sah, die sonst unter dem Make-up verborgen waren.
„Sie sollten die Sommersprossen nicht verstecken“, sagte er
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