Bleib cool Samantha
sagte ich. »Hey. Was machst du denn hier?« Ich verstand nicht, warum sie nicht mit Jack unterwegs war oder wenigstens mit einer ihrer Freundinnen.
Dann fiel es mir wieder ein.
»O Gott«, sagte ich erschrocken, weil sie mir so leidtat. »Haben sie dir jetzt etwa auch Hausarrest gegeben?«
Lucy sah verwirrt aus. »Wer?«
»Na, Mom und Dad«, sagte ich. »Du weißt schon, weil du den Test vermasselt hast.«
Sie lachte. »Quatsch, ich habe keinen Hausarrest.«
Ich starrte sie an. Auf den Bildschirmen um uns herum sagte Matt Damon gerade: »Sie haben die Frau umgebracht, die ich geliebt habe.« Mir fiel auf, dass die ganzen Informatik-Studenten ringsherum Lucy mit genau dem gleichen betrübt-sehnsüchtigen Blick ansahen, der in Matts Augen lag.
»Aber…« Ich verstand gar nichts mehr. »Was machst du dann hier?«
»Ach, weißt du.« Lucy nahm ihre kleine Louis-Vuitton-Tasche (ein Geburtstagsgeschenk von Grandma) von der Schulter und hängte sie sich über die andere. »Ich dachte, ich leihe mir mal eine DVD aus. Vielleicht kennst du den
Film ja. Er heißt ›Hellboy‹.«
Ich starrte sie an. »Hellboy«, sagte ich.
»Ja.« Lucy sah sich im Laden um. Sobald sie sich den Studenten am Sci-Fi-Regal zuwandte, taten die fieberhaft so, als würden sie sich das Cover des neuesten Alien-Films anschauen. »Habt ihr den zufälligerweise da?«
»Hellboy«, wiederholte ich noch einmal. »Mit Ron Perl-man und Selma Blair? Der 2004 rausgekommen ist und auf dem gleichnamigen Comic basiert? DEN Hellboy?«
»Ich glaub schon«, sagte Lucy. »Keine Ahnung. Harold hat ihn mir empfohlen.«
Ich sah sie noch erstaunter an. »Harold Minsky?«
Sie nickte. »Ja. Er hat gesagt, das wäre sein absoluter Lieblingsfilm. Ich glaub, du hast mir auch schon mal was davon erzählt. Fandest du den nicht auch ziemlich gut?« Sie nahm eine der Actionfiguren aus »Nightmare before Christmas« in die Hand, die Dauntra auf der Theke aufgestellt hatte, und betrachtete sie. »Also was ist? Habt ihr ihn?«
Ohne den Blick von meiner Schwester abzuwenden, rief ich den Computernerds am Sci-Fi-Regal zu: »Hey, kann mir einer von euch mal schnell ›Hellboy‹ rüberwerfen?«
Kurz darauf hielt ich ihn in den Händen.
Lucy drehte sich zu den Studenten um und lächelte. »Vielen Dank.« Die Studenten waren so überwältigt und verlegen, dass sie sich schnell hinter dem Regal mit Dokumentarfilmen verdrückten.
»Da, bitte.« Ich gab Lucy den Film.
Sie betrachtete das Cover. »Oh. Wow. Das ist also Hellboy, ja? Der Typ mit den komischen Auswüchsen auf der Stirn?«
»Das sind Hörner«, erklärte ich. »Er schleift sie sich bloß ab.«
»Oh«, sagte Lucy. »Ist er… nett? Weil er nämlich nicht besonders nett aussieht.«
»Das«, sagte ich, »ist genau das Thema des Films. Hellboy ist ein Dämon, der sich im Konflikt mit seiner wahren Natur befindet. Er ist der auf die Erde gesandte Satan, wurde aber liebevoll von Menschen aufgezogen, die nur das Beste für die Menschheit im Sinn hatten, und jetzt, wo er erwachsen ist, hat Hellboy sich geschworen, gegen seine innerste Natur anzukämpfen und die Welt vom Bösen zu befreien. Er wird durch seine Liebe zu Liz erlöst, die unter einer genetischen Veranlagung zum Pyrokinetiker leidet, wegen der sie ständig alles in Brand setzt und gegen die sie ankämpft.«
»Oh«, sagte Lucy. »Das ist ja nett von den beiden. Okay, dann nehme ich ihn. Wie viel kriegst du dafür?«
»Einen Dollar«, sagte ich. »Du kriegst Mitarbeiterrabatt, weil du mit mir verwandt bist.«
»Cool.« Lucy wühlte in ihrer Tasche. Währenddessen fragte sie beiläufig und ohne mich anzusehen: »Du kennst Harold doch näher, oder? Er gehört ja eher zu den Kreisen, in denen du dich bewegst.«
Ich blinzelte. Das war nicht gerade ein Kompliment, wenn man den gesellschaftlichen Status bedenkt, den Harold in der Schulhierarchie einnimmt.Aber… wieso interessierte sie sich plötzlich so für ihn?
»Hm«, sagte ich. »Na ja, eigentlich nicht. Ich meine, ich kenne ihn aus dem Computerraum. Aber wir haben nicht denselben Freundeskreis. Okay, ich bin vielleicht ein bisschen daneben. Aber so daneben bin ich nun auch wieder nicht.«
»Ja, aber du sammelst doch auch Comics«, sagte Lucy.
»Mangas«, korrigierte ich sie. »Harold sammelt Mangas. Ich zeichne Mangas.«
»Okay, ist ja auch egal.« Lucy hatte inzwischen einen Dollar aus der Tasche gefischt und legte ihn auf die Theke. »Was ich eigentlich wissen wollte… weißt du zufällig, ob
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