Bleib cool Samantha
Cheerleader-Choreografie auszudenken, aber wenn Lucy es sagte, war es das wohl. Ich meine, was wusste ich denn schon.Vielleicht war es ja wirklich total schwierig. So schwierig, wie beim Zeichnen sein Motiv im Hintergrund zu verankern. Konnte ja durchaus sein.
»War Jack sauer?«, fragte ich. »Ich meine, wie hat er es aufgenommen?« Jack gehört nämlich zu den Menschen, denen man ununterbrochen das Gefühl vermitteln muss, dass sie für alle um sie herum der Allerwichtigste sind.
»Er hat natürlich einen hysterischen Anfall bekommen«, erzählte Lucy fröhlich. »Er hat gefragt, warum nicht er mir Nachhilfestunden geben kann. Als hätte er damals in dem Test so viel besser abgeschnitten. Aber Mom und Dad waren natürlich total dagegen, weil sie nicht glauben, dass wir uns aufs Lernen konzentrieren würden. Außerdem wollen seine Eltern auch, dass er mehr für sein Studium tut. Er hat in letzter Zeit nicht so viel für die Uni gemacht, weil er ja jedes Wochenende hier war. Anscheinend hat er auf irgendeine Arbeit zu wenig Punkte bekommen und seine Eltern sind total ausgerastet.«
Das konnte ich mir gut vorstellen. Die Slaters hatten alle ihre Beziehungen spielen lassen, um Jack überhaupt einen Platz an der Uni in Rhode Island zu sichern, weil seine Noten so schlecht gewesen waren. An seiner Theorie, dass Noten letztendlich keine Rolle spielen, war wohl doch nicht so viel dran.
»Du Arme, du vermisst ihn bestimmt ganz schön, was?«, versuchte ich, ihr etwas schwesterlichen Trost zu spenden. »Jack, meine ich. Weil ihr euch doch jetzt nicht mehr so oft sehen könnt, bis deine Noten besser werden.«
»Ja, schon«, sagte Lucy leichthin. »Sag mal, meinst du, Harold mag Schokokekse? Ich habe mir überlegt, dass ich ihm welche backen könnte. Als eine Art Dankeschön, meine ich, für die Nachhilfestunden.«
»Mom und Dad geben ihm doch Geld dafür«, sagte ich. »Du brauchst ihm keine Kekse zu backen.«
»Ich weiß«, sagte Lucy. »Aber man kann doch auch einfach mal nett zu anderen sein.« Sie griff nach der Tüte mit der DVD. »Danke.«
»Hey, gern geschehen.« Ich überlegte mir gerade, wie abwegig der Gedanke war, Lucy – ausgerechnet LUCY! – könne in Harold Minsky verknallt sein, als mir etwas anderes einfiel. »Ach so, ich wollte mich auch noch bei dir bedanken. Für die… du weißt schon… das Zeug,das du mir besorgt hast.«
»Habe ich doch gern gemacht«, sagte Lucy mit so lieblicher glockenheller Stimme, dass einer der Informatik-Studenten vor Schreck den lebensgroßen Boba-Fett-Pappaufsteller umrannte und sich eilig daranmachte, ihn wieder aufzurichten.
»Hey, Madison!« Plötzlich stand Stan neben mir. »Ist das eine Freundin von dir?«
»Meine Schwester«, sagte ich. »Lucy. Lucy, das ist unser Geschäftsführer, Stan.«
»Hallo. Nett, Sie kennenzulernen«, sagte Lucy, während Stan sie nur anstarrte, als wäre sie gerade der DVD-Hülle des Anime-Klassikers »Amazing Nurse Nanako« entstiegen.
»Hi«, krächzte er. Dann riss er sich zusammen und sagte: »Madison, wenn du mit deiner Schwester nach Hause fahren willst, kannst du gern gehen. Ich schließe jetzt.«
Ich warf einen Blick auf die Uhr an der Wand. Meine Schicht war erst in fünfzehn Minuten zu Ende und er ließ mich früher gehen! Oh Mann, manchmal war es schon ein echter Vorteil, eine so schöne Schwester zu haben.
»Nett von Ihnen, Stan«, bedankte ich mich und griff nach meiner Jacke und meinem Rucksack.
»Moment noch«, sagte Stan, als ich schon um die Theke herum zu Lucy gehen wollte.
In dem Moment erinnerte ich mich wieder und reichte ihm wortlos meinen Rucksack, den er öffnete und rasch durchsuchte, während Lucy neugierig zusah.
»So, bitte«, sagte Stan, als er fertig war und ihn mir zurückgab. »Gute Nacht.«
»Danke«, sagte ich. »Bis bald.«
Und Lucy und ich gingen in die kühle Nacht hinaus.
»Filzt er die Rucksäcke von allen Mitarbeitern?«, erkundigte sich Lucy, als die Tür hinter uns zugefallen war. »Oder bloß deinen?«
»Nein, die von allen«, sagte ich.
»Oh Mann«, sagte Lucy. »Macht dich das nicht sauer?«
»Ich weiß nicht«, sagte ich. In Wirklichkeit hatte ich größere Probleme, als mich darüber aufzuregen, dass meine Tasche nach der Arbeit durchsucht wurde. Eigentlich hätte ich angenommen, dass Lucy das genauso sehen würde. »Haben die in dem Dessous-Laden eure Taschen nicht durchsucht?«
»Nein.«
»Tja«, sagte ich nachdenklich. »Wahrscheinlich kriegt man bei eBay mehr Geld für
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