Bleib cool Samantha
wirklich keine Ahnung, was sie von mir wollte. Was sollte überhaupt dieses ganze Gerede von wegen, ich sei noch nicht so weit? Wen interessierte schon der blöde Hintergrund? War nicht das Motiv das Wichtigste?
Terry schien auf jeden Fall meiner Meinung zu sein. Er kam nämlich zu mir rübergeschlendert, deutete auf meine Aktzeichnung und fragte: »Hey, willst du die behalten?«
»Hm«, machte ich. Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. In Wirklichkeit hatte ich nämlich gute Lust, die Zeichnung vom Block zu reißen, zu zerknüllen und in den Müll zu werfen. Aber das wollte ich nicht so offen zugeben, weil das so ausgesehen hätte, als wäre ich der Meinung, eine Zeichnung von Terry sei es nicht wert, gerahmt und über den Kamin gehängt zu werden – als fände ich ihn nicht attraktiv genug. Und obwohl ich seinen Job schon sehr merkwürdig fand, wollte ich ihn nicht beleidigen.
»Wieso?«, fragte ich, weil man mit einer Gegenfrage immer gut Zeit schinden kann.
»Weil ich sie gern haben würde, wenn du sie nicht willst«, sagte Terry.
Ich war gerührt. Mehr als gerührt. Ich war geschmeichelt. Er fand meine Zeichnung gut! Obwohl ich ihn nicht im Hintergrund verankert hatte.
»Klar.« Ich hielt sie ihm hin. »Bitte schön.«
»Cool«, sagte Terry. Als er bemerkte, dass ich das Blatt nicht signiert hatte, fragte er: »Könntest du noch deine Unterschrift draufsetzen?«
»Klar.« Ich unterschrieb und gab sie ihm wieder zurück.
»Cool«, sagte Terry und betrachtete stolz meine Unterschrift. »Jetzt habe ich eine Zeichnung von dem Mädchen, das den Präsidenten gerettet hat.«
In dem Moment begriff ich, dass es das war, was er gewollt hatte: mein Autogramm auf einem Bild, das ihn zeigte. Nackt zeigte. Es hatte nichts damit zu tun, dass ihm meine Zeichnung besonders gefallen hatte.
Aber hey, irgendwie war das trotzdem besser als nichts.
»Also, was ist?«, fragte David, der hinter mich trat, als ich mir am Waschbecken den Kohlestaub von den Händen wusch. »Bist du so weit?«
Ich muss zugeben, dass ich kurz zusammenzuckte. Nicht weil er sich angeschlichen hatte, sondern wegen seiner Frage.
»Ich habe noch keine Zeit gehabt, sie zu fragen!«, platzte es aus mir heraus, und ich drehte mich schnell zu ihm um. »Es tut mir echt leid, David. Aber meine Eltern sind echt total gestresst wegen Lucy und weil sie doch jetzt Nachhilfe bekommt…«
David sah mich an, als wären mir plötzlich Hörner auf der Stirn gewachsen wie bei Hellboy.
»Ich meinte, für die Diskussionsrunde in eurer Schule«, sagte er. »Ob wir fahren können?«
»Ach so!« Ich lachte nervös.
»Bist du deswegen nervös?«
»Nein!« Ich lachte wieder. »Quatsch. Wieso sollte ich nervös sein?«
»Du hast ja auch keinen Grund dazu«, sagte David und seine moosgrünen Augen funkelten. »Es ist ja bloß MTV. Bloß ein paar Millionen Zuschauer, die dir zusehen. Mehr nicht.«
In Wirklichkeit gingen mir so viele Sachen durch den Kopf, die mir Sorgen bereiteten, dass ich gar nicht dazugekommen war, mir Gedanken darüber zu machen. Über meinen Fernsehauftritt, meine ich. Ich hatte inzwischen die Unterlagen gelesen, die der Pressechef mir gegeben hatte, und sogar ein bisschen auf eigene Faust im Internet recherchiert, fühlte mich also einigermaßen vorbereitet. Nein, die Frage, was während meines Aufenthalts in Camp David mit David passieren würde, machte mich viel nervöser als die Aussicht, gleich im Fernsehen auftreten zu müssen.
»Ach was«, winkte ich ab. »Bis jetzt ist es doch immer gut gegangen.«
Was auch stimmte. Es hatte noch nie Schwierigkeiten gegeben, wenn ich mit Davids Vater zusammen im Fernsehen aufgetreten war. Nicht dass wir schon so oft im Fernsehen aufgetreten wären. Aber bei den Reden bei der UNO oder den gelegentlichen Benefizveranstaltungen, über die dann im TV berichtet worden war, hatte es nie irgendwelche Probleme gegeben. Deshalb hatte ich keinen Grund anzunehmen, es könnte an diesem Abend anders sein.
Okay, jedenfalls so lange nicht, bis David und ich dann vor der Adams Highschool vorfuhren und ich die Demonstranten sah.
In dem Moment wurde mir klar, dass diese Diskussionsrunde ganz anders verlaufen würde als die Reden, die ich in der Vergangenheit vor irgendwelchen Ölmilliardären in irgendwelchen Hotel-Ballsälen gehalten hatte. Weil die Ölmilliardäre normalerweise nicht von Dutzenden von Polizisten zurückgedrängt werden müssen, wenn sie die Limousine stürmen wollten, in der ich und
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