Bleib doch, liebes Hausgespenst!
fürchte, du hast deine Kraft verloren...“
„Du kannst nicht mehr mit der Lampe wackeln!“ rief Liane, die sofort begriffen hatte.
„Du bist zu schwach, um irgendwas durch die Luft zu werfen!“ fügte Frau Schmidt hinzu.
„Nicht einmal dein Bild kannst du durch den Raum segeln lassen!“ behauptete Herr Schmidt.
Aber nichts half. Amadeus war kein Zeichen seiner Anwesenheit zu entlocken.
„Da hilft nur eins“, sagte Herr Stein, „wir müssen eine Séance veranstalten.“
„Was ist denn das?“ fragte Monika sofort.
„Eine spiritistische Sitzung... ein Zusammensein, bei dem man Geister beschwört. Da Sie sagen, daß ein Geist hier im Haus wohnt…“
„Das tut er“, bestätigte Herr Schmidt mit Bestimmtheit.
„...wird er derjenige sein, der unserer Beschwörung zuerst nachkommt.“
„Und wie macht man so eine Geisterbeschwörung?“ fragte Monika.
„Wir verdunkeln das Zimmer und setzen uns so um den Tisch, daß wir eine Reihe bilden. Alle strecken wir die Arme aus und legen die Hände flach auf den Tisch, so daß jeder mit den ausgestreckten Zeigefingern die ausgestreckten Zeigefinger seiner beiden Nachbarn berührt. Wir bilden also sozusagen eine Kette.“
„Und dann?“ fragte Monika.
Herr Stein sah sie abschätzend an. „Du bist, glaube ich, ein gutes Medium.“
„Ein was?“
„Ein Vermittler mit der Geisterwelt!“
„Aber das will ich nicht sein!“
„Du versetzt dich in Trance...“
„Trance?“ wiederholte Monika.
„Ein Zustand zwischen Schlafen und Wachen... genauer gesagt, ein schlafähnlicher Zustand mit Verlust des Ichbewußtseins! Du kennst das ja ohnehin! Jedesmal, wenn sich dieser Geist bei dir meldet...“
„Aber dann bin ich hellwach! Sie glauben doch nicht etwa, daß er mir im Schlaf erscheint?!“
„In einem schlafähnlichen Zustand“, wiederholte Herr Stein.
Monika vergaß ihre Erziehung. „Sie spinnen wohl!“ rief sie empört. „In einem schlafähnlichen Zustand könnte ich doch gar nicht mit Amadeus reden! Ich bin hellwach, wenn er mich besucht!“ Einschränkend fügte sie hinzu: „Oder er weckt mich auf, und glauben Sie nur ja nicht, daß er das auf die sanfte Tour macht, nein, ganz im Gegenteil!“
„Du vergreifst dich im Ton, Moni“, mahnte ihre Mutter mit sanftem Tadel, „aber in der Sache muß ich dir recht geben. Ich glaube auch nicht, daß du in Trance fallen mußt, damit dir Amadeus erscheint. Erinnert euch! Mich hat er ja anfangs auch geärgert, wenn ich am frühen Morgen die Hausarbeit gemacht habe... und an die gehe ich bestimmt nicht in einem... einem schlafähnlichen Zustand.“
Herr Schmidt schmunzelte. „Schön wär’s!“
„Als Amadeus meine Schwester vor dem Ertrinken gerettet hat, war sie ja draußen auf dem Eis und ist Schlittschuh gelaufen!“ erinnerte Liane. „Das hat sie doch bestimmt nicht in einem schlafähnlichen Zustand getan!“
„Noch vorgestern, als ich in Heidholzen auf dich gewartet habe, Vati, da hat er mich im Wäldchen aufhalten wollen... und ganz bestimmt war ich da so wach wie in diesem Augenblick!“ erzählte Monika. „Wahrscheinlich noch wacher, denn das ist man doch immer an der frischen Luft mehr als in einem geheizten Zimmer!“
„Thema Papierkorb!“ entschied Herr Schmidt. „Wir alle wissen, daß Monika wach ist, wenn Amadeus ihr erscheint. Oder wollen Sie etwa ernsthaft daran zweifeln, Herr Stein?“
„Wie könnte ich“, gab Norberts Vater zögernd zu, „da Sie alle — und Sie müssen es ja besser wissen — das Gegenteil behaupten. Aber darum geht es ja jetzt gar nicht. Wir wollen den Geist dazu bringen, daß er sich meldet, nicht wahr? Und anscheinend will er ja nicht kommen. Darum eben schlage ich vor, ihn durch ein Medium zu beschwören.“
„Aber ich will kein Medium sein“, erklärte Monika mit Entschiedenheit.
„Es wäre doch nichts dabei“, versuchte Herr Stein sie zu überreden, „du brauchst dich nur ganz ruhig hinzusetzen und alle Gedanken entgleiten lassen...“
„Das kann ich nicht!“ behauptete Monika. „Ich denke immer.“
„Auch wenn du abends versuchst einzuschlafen? Das glaube ich dir einfach nicht.“
„Aber ich mag jetzt nicht einschlafen“, wehrte sich Monika, „wie käme ich denn dazu? Und wenn ich wirklich einschlafe, dann sehe und höre ich Amadeus doch gar nicht. Oder doch?“
„Nicht bewußt“, sagte Herr Stein, „aber wir würden ihn erleben.“
„Das verstehe ich nicht. Sie würden ihn sehen, wenn ich ihn nicht
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