Bleib für immer!: Roman (German Edition)
geklärt ist, damit ich endlich meinen Artikel schreiben kann, habe ich schon langsam befürchtet, dass sich die ganze Angelegenheit in Luft auflöst.
Nicht zuletzt, weil ich nicht glauben konnte, dass die überregionalen Zeitungen nicht längst Wind davon bekommen haben. Und wenn ich mal ganz ehrlich bin, hatte ich in der letzten Zeit anderes im Kopf, so scharf ich auch auf die Story war.
Heute aber komme ich von einer Frühschicht nach Hause und lasse mich mit einer Schüssel kaum für den menschlichen Verzehr geeignet wirkenden Fertignudeln vor den Fernseher plumpsen, als das Telefon klingelt.
Sofort erkenne ich Bennos Stimme.
»Was machen Sie gerade?«, will er wissen.
»Blödsinn essen und schlechte Talkshows anschauen«, gebe ich zurück.
»Dann werden Sie sich wohl von beidem losreißen und schleunigst hierher kommen müssen«, verkündet er. »Sie kriegen Ihre Story.«
»Was? Wirklich?« In meiner Aufregung werfe ich meine Nudelschüssel neben mich auf die Couch.
»Aber zuerst möchte ich Sie um einen Gefallen bitten.«
Ich sacke wieder zusammen.
»Sie wissen, dass wir kein großes Budget haben«, sage ich.
»Ts, ts, das weiß ich doch, Schätzchen«, erwidert er. »Ich habe doch Ihr Auto gesehen. Nein, kennen Sie meine Tochter?«
»Ja. Wie geht es Torremolinos?«
Benno und seine Frau haben David und Victoria Beckham gegenüber zehn Jahre Vorsprung darin, ihr Kind nach seinem Zeugungsort zu benennen.
»Ausgezeichnet«, sagt er. »Folgendes – sie möchte Journalistin werden. Deshalb habe ich überlegt, ob Sie ihr nicht ein Praktikum besorgen könnten oder so was.«
Bei solchen Gelegenheiten muss ich normalerweise erklären, dass es eine lange Warteliste gibt und sie sich schriftlich beim Herausgeber bewerben muss. Aber diese Story ist einfach zu gut und trotz des Risikos, von Simon einen Anschiss zu kassieren, treffe ich eine geschäftsführende Entscheidung.
»Benno«, erkläre ich, »ich sorge persönlich dafür, dass sie ein Praktikum bekommt. Mehr noch, ich werde nicht eher ruhen, bis sie nicht die Sunday Times herausgibt.«
104
Green’s Fitnessstudio, Liverpool, Donnerstag, 28. Juni, 20:20
D IE STORY über Pete Gibson wird in der morgigen Ausgabe abgedruckt. Wie sich herausstellte, ging der Polizist auf die Bestechungsversuche nicht ein und erwies sich trotz allem als einer von den Guten. Was für mich völlig in Ordnung ist; denn allein die Tatsache, dass dieser brave Super-Sauber-Popstar nebenbei ein Kokaindealer ist, der auf regelmäßiger Basis Promi-Orgien veranstaltet, dürfte schon einer der größten Knüller des Jahres sein.
Das Blöde ist nur, dass mich die ganze Sache irrsinnig nervös macht. Mir ist ungefähr so schlecht wie einmal auf einer neunstündigen Fährfahrt bei hohem Seegang. Bei der Zeitung nennen sie das Die Angst – dieses schreckliche Gefühl, das Journalisten haben, unmittelbar bevor eine wirklich große Story veröffentlicht wird. Es ist eine seltsame Mischung aus Adrenalinüberdosis, weil man weiß, dass etwas Aufsehenerregendes gedruckt wird, und sich vor Panik fast in die Hose Machen, falls man etwas geschrieben haben sollte, wofür der Herausgeber vor Gericht muss. Was sich nie besonders positiv auf die persönliche Karriere auswirkt.
Ich habe inzwischen – wie auch die Anwälte der Zeitung – jedes Detail dreimal überprüft, aber letzten Endes sind das schwere Anschuldigungen, und morgen wird zweifellos eine ordentliche Portion braune Substanz am Dampfen sein.
Und jetzt bin ich also mit Charlotte im Fitnessstudio, um mich ein bisschen abzulenken. Leider habe ich seit Wochen überhaupt keinen Sport mehr gemacht und wünsche mir langsam, ich hätte mir von meiner Mutter eine Entschuldigung schreiben lassen.
Wir fangen auf dem Laufband an und optimistisch – und sehr dumm – wähle ich ein Programm namens »Ausdauerchampion«. Mein Plan ist, ganz langsam anzufangen, aber irgendwo unterwegs verheddere ich mich mitten in einem K2-Anstieg mit einer Neigung, die man eigentlich nicht ohne Steigeisen in Angriff nehmen sollte.
Hektisch marschiere ich bergauf, wobei ich an Basil Fawltys Deutschen-Parodie denken muss. Gleichzeitig panisch und vollkommen erschöpft schlage ich auf den Knöpfen herum wie eine hyperaktive Siebenjährige an einem Spielautomaten.
»Mist, verdammter!«, quängele ich, dann saust meine Hand auf den Notbremsenknopf herab. Das Gerät kommt knirschend zum Stillstand, und ich beuge mich seitlich vornüber. Meine
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