Bleib für immer!: Roman (German Edition)
»Ehrlich, ich bleib bei meinem Cocktail. Außerdem – hast du keine Angst, dass uns jemand sieht?«
»Du machst Witze, oder?«, schnaubt er. »Das ist der VIP-Bereich. Alle hier machen das. Komm schon, ich will mich nicht allein amüsieren.«
»Im Ernst, ich möchte lieber nicht«, sage ich.
Er wirft mir einen Blick zu, als säße ihm urplötzlich Fräulein Rottenmeier gegenüber.
»Ach, Evie. Ist doch nur zum Spaß. Das wird dich ein bisschen locker machen.«
»Nein. Ehrlich, Seb, ich bin locker genug – wirklich«, sage ich, obwohl ich mich plötzlich absolut un-locker fühle.
Dankenswerterweise kommt der Kellner mit den Cocktails, und trotz seiner Prahlerei steckt Seb seine Ausrüstung weg. Doch im Laufe der nächsten Stunden holt er noch dreimal das kleine Päckchen mit dem Zauberpulver aus seiner Innentasche, um sein Ritual zu vollziehen.
»Hat es dir auf Georgias Hochzeit gefallen?«, frage ich und versuche, zu ignorieren, was er macht.
»Ja. Auf jeden Fall. Es tat gut, einige aus der alten Clique mal wieder zu treffen. Dich vor allem.«
Ich lächle.
»Am Ende des Abends waren aber einige auf der Tanzfläche ganz schön besoffen, was?«, ergänzt er.
»Ist das nicht immer so auf Hochzeiten?«, sage ich.
»Ja, schon, aber hast du den Typen in der gestreiften Jacke mit seiner Alten gesehen?« Er schüttelt den Kopf und grinst süffisant. »Die beiden sahen aus, als gehörten sie weggesperrt.«
Ich spüre das Blut in meine Wangen steigen, als mir bewusst wird, dass er von Bob und meiner Mutter spricht.
»Du meinst Bob«, sage ich. »Bob und, äh …«
»Ach, du kennst die?«, fällt er mir ins Wort. »Ich hoffe, ich habe niemanden beleidigt.«
»Na ja – nein, beleidigt nicht.« Ich rutsche auf dem Sitz herum. »Du redest nur über meine Mutter und ihren Mann.«
»Scheiße!«, lacht er, »Fettnäpfchen lässt grüßen.«
Ich lache ebenfalls. Seb konnte nicht wissen, von wem er sprach. Und sind wir doch mal ehrlich, es war nichts, was ich nicht schon selbst über meine Mutter gesagt hätte.
»Ich muss allerdings gestehen«, fährt er fort, »dass ich noch nie vorher so eine Strumpfhose gesehen habe.«
»Da hast du recht«, stimme ich glucksend zu. »Sie hat einen ungewöhnlichen Klamottenstil, so viel steht fest.«
»Und dieser Hut. Du lieber Himmel.« Er verdreht die Augen.
»Äh, ja.« Allmählich fühle ich mich etwas unwohl.
»Ich bin nur froh, dass du nicht den Geschmack deiner Mutter geerbt hast – oder besser gesagt: den Mangel daran«, redet er weiter. »Du siehst heute Abend toll aus.«
Irgendwie hat das Kompliment nicht mehr die gleiche Wirkung wie die vorherigen.
»Ist ja gut, Seb«, höre ich mich leicht erregt sagen. »Mag ja sein, dass meine Mutter ein bisschen unkonventionell aussieht. Aber genau so mag ich sie.«
»Hilfe.« Er hält die Hände hoch. »Ich hab ja nur einen kleinen Scherz gemacht. Tut mir leid. Ich wollte dir nicht zu nahetreten.«
Er sieht aus, als wäre es ihm ernst. Also lockere ich meine Schultern und komme mir plötzlich ein bisschen albern vor.
»Nein, mir tut es leid. Ich wollte dich nicht anfahren.«
»Kein Problem.« Er zwinkert mir zu. »Ich verzeihe dir.«
Ich rutsche unbehaglich hin und her, ermahne mich aber, dass ich den Abend mit Seb bisher sehr genossen habe.
Noch denke ich darüber nach, als er sich vorbeugt und mich ohne jede Vorwarnung auf die Lippen küsst. Ich sage küssen, aber Sebs Manöver erinnert mich eher an einen riesigen Kraken, der sich auf seine Beute stürzt. Von null auf hundert in zwei Sekunden, mit vollem Zungeneinsatz und wenig Rücksicht auf die kleine Nebensächlichkeit des Atmens.
Ich entwinde mich, ringe nach Luft und lehne mich zurück. So reagiere ich nur deshalb, weil ich mich seit Jacks und meiner Trennung so schlecht gefühlt habe, das weiß ich. Aber ich kann trotzdem nicht anders.
»Was ist denn los?«, fragt er.
»Ach, nichts.« Dann sehe ich auf und bemerke Beth am anderen Ende des Raums.
»Ich meine, keine Ahnung«, füge ich hinzu.
Doch als Beth den Blick abwendet, wird mir klar, dass das nicht stimmt. Natürlich weiß ich es.
103
Meine Wohnung, Donnerstag, 28. Juni, 17:15
I CH MUSS ZUGEBEN, dass ich schon nicht mehr an Bennos Story über Pete Gibson geglaubt habe, den braven Popstar mit der heimlichen Schwäche für Koks und Orgien.
Nachdem ich Benno innerhalb der vergangenen zwei Monate dreimal angerufen habe, um nachzufragen, ob die Sache mit dem zwielichtigen Polizisten
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