Bleib für immer!: Roman (German Edition)
mir ungefähr so verlockend erscheint wie eine mittelalterliche Folterbehandlung.
»Ich finde wirklich, wir müssen noch mal über unsere Beziehung reden«, erklärt er.
»Findest du das?« Mir wird mulmig. »Ich weiß nicht, ob jetzt ein so guter Zeitpunkt dafür ist, Gareth.«
»Er ist so gut wie jeder andere«, erwidert er entschlossen. »Und ich halte es wirklich für wichtig. Die Sache ist die, Evie, ich muss unbedingt etwas wissen.«
»Ach ja?« Ich sehe mich heimlich nach einem Fluchtweg um.
»Der Grund, warum du dich von mir getrennt hast. War es«, er vergewissert sich, dass niemand zuhört. »War es die Unterwäsche ?«
Einige Gäste ein paar Tische weiter fangen an zu lachen, und obwohl ich weiß, dass sie uns nicht hören können, winde ich mich unbehaglich. Allein der Gedanke an diese Unterwäsche – sein scheußliches Valentinstagsgeschenk, das er aus den Kleinanzeigen einer Publikation namens Scharf und Sexy bestellt hat – würde überall hysterische Reaktionen hervorrufen. Ich habe sie nie anprobiert; aber trotz der beiden Luftlöcher in der Brust muss man von dem ganzen Gummi doch einen höllischen Ausschlag bekommen, denke ich mir.
»Ich möchte nicht abstreiten, dass mir La Perla lieber gewesen wäre, Gareth. Aber nein«, füge ich hastig hinzu, um nicht kaltherzig zu wirken, »daran lag es wirklich nicht.«
Doch es ist zu spät. Seine Hundewelpenaugen sehen mich an, als würde ich Tierversuche durchführen. Ich bekomme ein schlechtes Gewissen.
»Woran dann, Evie?«, klagt er. »Um Himmels willen, woran dann?«
Und dann schnieft Gareth. Ich sage schnieft, obwohl grunzen es besser beschreiben würde. Ein Grunzen, so ausgedehnt und laut, dass es klingt wie eine Espressomaschine kurz vor der spontanen Selbstzerstörung. Das kann nur eines bedeuten: Wir bewegen uns auf eine emotionale Kernschmelze zu.
»Bitte nicht weinen«, flehe ich und ergreife seine Hand. Das meine ich auch so. Und zwar nicht nur, weil Graces Onkel Bob und Tante Marion zu uns rübersehen.
Gareth zieht ein fadenscheiniges Stück Papiertaschentuch heraus und putzt sich Dumbo-verdächtig die Nase. Kurz befürchte ich, seine Augen könnten aus dem Kopf schnalzen.
Dann knüllt er das Taschentuch zusammen, und anstatt es wieder in die Tasche zu stecken, wirft er es gedankenlos auf den Tisch neben uns.
Ich versuche, mich auf das, was er sagt, zu konzentrieren, kann meinen Blick aber plötzlich nicht vom Inhalt seines Taschentuchs lösen, der besorgniserregende Ähnlichkeit mit einer Substanz aus Ghostbusters hat.
»Ich weine nicht«, sagt er mit einem tapferen, zittrigen Lächeln. »Ich weine nicht.«
Dann stockt er kurz. »Ohhh! Evie!«, heult er.
Gewaltsam reiße ich mich von seinem Taschentuch los. Auf einmal schwanke ich zwischen Selbstverachtung und verzweifelten Fluchtgedanken. Es gibt nur eine Möglichkeit.
Ich wende mich an Gareth, umklammere seinen Arm und sehe ihm eindringlich in die Augen.
»Gareth.« Ich drücke seinen Ellbogen fester. »Wir müssen wirklich darüber reden. Du hast absolut recht.«
Er könnte nicht erstaunter aussehen, wenn ich vorgeschlagen hätte, nach Finnland durchzubrennen und zwölf Rentiere zu adoptieren.
»Ach«, meint er, »du stimmst mir also zu? Dass wir reden müssen?«
»Unbedingt. Aber die Sache ist die, ich kann nicht. Nicht jetzt auf jeden Fall. Ich muss Graces Mutter …«, hektisch sehe ich mich auf der Suche nach Inspiration im Raum um, »… mit den Servietten helfen.«
Er sieht mich an, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank.
»Aber es isst doch keiner mehr«, wendet er ein.
»Die sind feuergefährlich«, erkläre ich mit Bestimmtheit. »Man darf nicht einfach solche Papiermengen herumliegen lassen, das verstößt gegen EU-Vorschriften. Eine brennende Zigarette, und der ganze Laden verwandelt sich in ein Flammendes Inferno . Und weit und breit kein Steve McQueen zur Hand, um uns zu retten.«
Er zerknautscht das Gesicht. »So was hab ich noch nie gehört. Außerdem, waren die nicht aus Leinen?«
»Noch schlimmer«, ächze ich. »Tut mir leid, Gareth, aber ich muss jetzt los. Wir sprechen uns bald. Versprochen .«
16
C HARLOTTE VERBRACHTE die ersten achtzehn Jahre ihres Lebens in einem Bungalow mit ausgebautem Dachgeschoss in Widnes, was in Cheshire liegt, aber nicht in dem reichen Teil, wo die Frauenbrüste alle unecht sind.
Sie hatte zwei liebende Eltern, die um der Kinder willen so lange zusammenblieben, bis sie fast vergaßen, dass sie einander
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