Bleib für immer!: Roman (German Edition)
nicht ausstehen konnten. Heute arbeitet Charlotte beim Finanzamt als … ich muss gestehen, dass ich nie ganz herausbekommen habe, was sie eigentlich macht. Immer wenn sie jemandem davon erzählt, bekommt der glasige Augen, so ähnlich wie meine Großtante Hilda, wenn sie ihr im Pflegeheim zu viele Pillen verabreicht haben.
Worauf ich hinauswill ist, dass Charlottes Leben nicht besonders aufregend ist. Aber das erklärt kaum, warum sie so unglaublich schüchtern ist und warum ihr Liebesleben nicht schlecht, sondern mehr oder weniger nicht vorhanden ist.
»Warum hast du dich denn mit Graces Mutter unterhalten?«, frage ich zwanglos, nachdem ich sie endlich aus einer erschöpfenden Konversation darüber reißen konnte, warum Ginster heutzutage im Blumenhandel kaum mehr gefragt ist.
»Warum nicht?«
»Tja.« Ich weiß nicht recht, wie ich das formulieren soll. »Ich dachte nur, du und Jim, ihr saht aus, als würdet ihr euch nett unterhalten.«
Sie wirkt etwas verwirrt. »Das haben wir ja auch. Aber dann habe ich mich mit Mrs Edwards nett unterhalten.«
»In Ordnung, und worüber?«, will ich wissen. Das muss angefochten werden.
Sie runzelt die Stirn. »Hauptsächlich Sudoku.«
Ich mache eine Pause. »Sudoku?«
Sie zuckt die Achseln. »Ja. Warum denn nicht?«
»Magst du Sudoku?«
»Nicht besonders.«
»Hast du je eins gemacht?«
»Ähm, nein.«
»Interessierst du dich auch nur im Geringsten dafür?«
»Nein, aber es macht mir nichts aus, darüber zu sprechen.«
»Charlotte«, sage ich. »Wenn Mrs Edwards nicht gerade den schwarzen Gürtel in Sudoku hat, dann begreife ich einfach nicht, wie um alles in der Welt das interessanter sein kann, als sich mit Jim zu unterhalten.«
Sie errötet, als ihr klar wird, worauf ich hinauswill. Sofort bekomme ich ein schlechtes Gewissen.
»Hör mal.« Ich reibe ihr sanft über den Arm. »Damit will ich nur sagen, dass Jim dich sehr nett findet.«
Ich merke, dass ich ihr Interesse geweckt habe.
»Das stimmt, ehrlich.«
»Wir haben nur nebeneinander gesessen, sonst nichts«, sagt sie.
»Ja, und – was hat er erzählt?«
»Okay, okay.« Sie holt tief Luft. »Also, wir haben viel über Musik gesprochen.«
»Und zwar?«
»Er liebt Macy Gray und spielt in seiner Freizeit Gitarre.«
»Genau wie du!«, rufe ich.
»Ich kann gar nicht Gitarre spielen.«
»Nein, aber du liebst Macy Gray.«
»David Gray«, verbessert sie mich.
»Jetzt wollen wir mal nicht Haare spalten. Im Ernst, ihr seid füreinander geschaffen. Komm schon, geh zurück und unterhalte dich mit ihm.«
Unvermittelt werden wir von männlichen Stimmen unterbrochen, die um die Säule neben uns herum dringen. Nicht, dass sie besonders laut wären – hier ist es sowieso nicht unbedingt leise -, aber der Inhalt ihres Gesprächs lässt uns automatisch aufhorchen.
»Ein Jammer, dass ich kein Single mehr bin«, erklärt der eine gerade. »Hier laufen ein paar Frauen rum, die ich nicht von der Bettkante stoßen würde. Die mit der Lesung war der Hammer !«
Ich verdrehe die Augen. Das Einzige, was noch nerviger ist als Valentinas Versuche, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, ist, dass sie meistens Erfolg damit hat.
»Die eine Brautjungfer war auch nicht so schlecht, die mit den schmutzig blonden Haaren«, ergänzt der andere, und mir wird bewusst, dass sie über mich sprechen. »Bisschen flachbrüstig, aber definitiv annehmbar.«
Das nenne ich mal ein zweifelhaftes Kompliment. Ich ziehe eine Grimasse und will mich schon wieder meinem Lieblingsgesprächsthema zuwenden, als sich noch eine Stimme einschaltet.
»Aber was sagt ihr zu der anderen – dem dicken Brummer?«
Meine Augen weiten sich. Ich weiß sofort, von wem sie sprechen.
»Wer, Shreks hässliche Schwester?«
Sie lachen sich kaputt und mir bleibt die Spucke weg, während Charlottes Gesicht sich verzieht. Krampfhaft überlege ich, wie ich sie vom Rest dieser Unterhaltung ablenken kann.
»Wie viel Kuchen muss man wohl futtern, um ein Kleid in der Größe auszufüllen?«, gackert ein anderer.
»Genug, um die gesamte Bäckerinnung in den Bankrott zu treiben, wenn sie jemals aufgibt!«
Stichwort für eine weitere Runde betrunkenes Gelächter.
Charlottes Wangen glühen. Sie bemüht sich um eine tapfere Miene, aber ihre Lippen beben, und ich sehe ihr an, dass sie innerlich tausend Tode stirbt. O mein Gott, ich muss das stoppen.
»Wie viel müsste man wohl bezahlt bekommen, um die zu vögeln?«, fragt jemand, und damit ist die Grenze des Erträglichen
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