Bleib für immer!: Roman (German Edition)
einen nur mäßig beteiligten Gesichtsausdruck.
Sie zieht einen Schmollmund. »Im Augenblick ja«, sagt sie. »Ich habe beschlossen, dass ich ein bisschen mehr ›Zeit für mich‹ brauche. Außerdem war Jack zwar sehr nett und alles, aber eigentlich nicht mein Typ.«
»Seit wann weißt du das?«, erkundige ich mich.
»Ach, das habe ich ihm am Tag nach Graces Hochzeit mitgeteilt.«
»Aha«, sage ich lässig.
»Du kannst herzlich gern dein Glück bei ihm versuchen, Evie«, erwidert sie süffisant. »Ich meine, unsere Trennung hat ihn zwar sehr mitgenommen, aber man weiß ja nie – vielleicht hat er Lust auf eine zwanglose Affäre, um sich darüber hinwegzutrösten. Und ich weiß ja, dass du in solchen Dingen gut bist.«
28
V ALENTINA MACHT SICH nicht die Mühe, den Vorhang zuzuziehen.
Sie öffnet nur den Reißverschluss ihres Kleides und lässt es auf den Boden fallen, so dass sie bis auf ein Paar Satin-Highheels und einen mikroskopisch kleinen Tanga komplett nackt ist.
Okay, dann hat sie eben die perfekte Figur – hohe Brüste, endlose Beine und einen so wohlgeformten Allerwertesten, dass er auch durch Retusche nicht verschönert werden könnte. Trotzdem hätten sich bestimmt alle etwas wohler gefühlt, wenn sie sich weniger wie ein Mitglied einer schwedischen Nudistenkolonie benommen hätte.
Sie dreht den Kopf, um sich von hinten in dem großen Spiegel zu bewundern, dann fährt sie sich langsam mit der Hand über eine ihrer Pobacken.
»Ich hoffe, ich habe seit dem letzten Mal nicht zugenommen«, sagt sie. »Ich war in letzter Zeit nicht so oft im Fitnessstudio wie sonst.«
»Es muss schrecklich sein, mit all dieser Orangenhaut zu leben«, bemerke ich. »Es gibt Selbsthilfegruppen für Leute, die so schwer betroffen sind wie du.«
Sie macht ein missbilligendes Geräusch und lässt sich von der Schneiderin in das Kleid helfen. Als ich wieder in der Zeitschrift blättere, stupst Charlotte mich in die Seite.
»Gefällt dir Jack?«, flüstert sie.
Ich denke kurz darüber nach, dann muss ich lächeln.
»Es verstößt zwar gegen all meine Prinzipien, da er etwas mit Valentina hatte«, sage ich. »Aber ja, ich glaube schon.«
»Und was willst du jetzt machen?«
»Gute Frage.« Die Tragweite des eben Gehörten dringt jetzt erst zu mir durch.
»Valentina ist die einzige Verbindung zwischen uns. Paradoxerweise fällt mir jetzt, wo sie getrennt sind, kein naheliegender Anlass mehr ein, um ihn wiederzusehen. Mal abgesehen davon, ihm nachzuspionieren, und dazu fühle ich mich nicht ganz in der Lage.«
»Gott sei Dank«, kichert sie.
Doch das Lächeln wird bald von Charlottes Gesicht gewischt. Denn es ist nur noch eine übrig, die noch ihr Kleid anprobieren muss, und das ist sie. Als sie hinter den Vorhang geht, zieht sie ihn ganz bis zum Rand zu und vergewissert sich, dass ja nicht der allerkleinste Schlitz offen bleibt. Die Schneiderin möchte ihr helfen, wird aber weggeschickt – und gute zehn Minuten lang dringt nichts als Stille durch den Vorhang.
Schließlich pirsche ich mich an und versuche, Charlotte etwas zuzumurmeln, ohne die Aufmerksamkeit der anderen zu erregen.
»Alles in Ordnung bei dir da drin?«, frage ich.
»Warte! Komm bloß nicht rein!« Sie klingt leicht hysterisch.
»Okay, okay«, sage ich. »Wollte ich ja gar nicht. Ich hab mir nur Gedanken gemacht, wo du bleibst. Du bist schon ziemlich lange da drin.«
Plötzlich fliegt die Tür zum Laden auf und Grace ist da, wie üblich etwas zerzaust und außer Atem.
»Wie geht’s dem Hasen?«, erkundige ich mich.
»Rooney? Der Tierarzt meint, er wird morgen einen wunden Hintern haben, aber immerhin konnten wir eine Operation vermeiden. Wie läuft’s hier?«
»Prima«, sage ich und stelle mich neben sie, um unter vier Augen mit ihr sprechen zu können. »Wir warten nur auf Charlotte, aber ich glaube, sie ist wild entschlossen, hinter diesem Vorhang zu bleiben, bis die Hochzeit vorbei ist.«
Grace schaut mich wissend an. Gerade als ich noch mal nachsehen will, ob bei Charlotte alles okay ist, hören wir einen Schrei.
Ohne zu ahnen, dass noch jemand in der Kabine ist – inzwischen ist eine Viertelstunde vergangen -, hat die Verkäuferin den Vorhang aufgezogen. Und ich habe noch nie in meinem Leben einen so erschrockenen Gesichtsausdruck gesehen.
29
E S TUT MIR LEID«, sagt sie mit zitternden Lippen zu Georgia. »Es tut mir wirklich leid.«
Anfangs komme ich nicht dahinter, wofür Charlotte sich entschuldigen möchte. Aber dann
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