Bleib für immer!: Roman (German Edition)
meinst!«
31
Liverpooler Innenstadt, Samstag, 24. März
I CH KENNE NUR einen Menschen, der es überhaupt in Erwägung ziehen würde, in Cowboyhut und Federboa zu heiraten. Und das ist meine Mutter.
»Ich finde es lustig, du nicht?«, fragt sie sich vor dem Spiegel drehend und wendend.
»Du siehst aus wie J.R. Ewing als Transe«, antworte ich.
Sie verzieht das Gesicht. »Wie bist du nur so spießig geworden?«
»Alle Kinder müssen doch gegen ihre Eltern rebellieren. Spießig zu sein war in meinem Fall die einzige Möglichkeit.«
Sie zerzaust mir die Haare. Das tut sie schon, seit ich denken kann, und wird es vermutlich noch tun, wenn ich Rente beziehe. Früher hat es mich in den Wahnsinn getrieben; inzwischen ist es einfach nur eines von vielen einzigartigen Charakteristika meiner Mutter. Und da es eines der weniger exzentrischen ist und nicht übermäßig viel Aufmerksamkeit bei rechtschaffenen Mitgliedern der Gesellschaft erregt, bin ich zu dem Schluss gekommen, damit leben zu können.
»Hast du schon mal an etwas ein klein wenig Gesetzteres gedacht?«, frage ich eingedenk der Brautmodenzeitschrift in der Boutique neulich. Doch im selben Augenblick frage ich mich, warum ich mir überhaupt die Mühe mache. Gesetzt hat sie nicht drauf, meine Mutter. Gestört vielleicht, aber nicht gesetzt.
»Du meinst langweilig«, sagt sie jetzt und durchforstet weiter die Kleiderstangen. »Ach, das hier könnte was sein.« Sie nimmt ein traditionell aussehendes bodenlanges Kleid herunter. Meine Hoffnung steigt vorübergehend.
»Ob es das wohl auch in kariert gibt?«, sinniert sie.
Dieses Jahr noch soll meine Mutter Bob heiraten, mit dem sie seit sechs Jahren zusammen ist.
Zu behaupten, die beiden seien füreinander geschaffen, ist eine Untertreibung. Denn obwohl ich früher meine Mutter für einmalig hielt, könnten sie und Bob nicht besser zueinanderpassen, wenn sie als Paar auf die Welt gekommen wären.
Er ist ein bärtiger Philosophiedozent, der ganzjährig Jesus-Sandalen trägt, die so unmodisch sind, dass nur der Allmächtige persönlich damit durchkäme. Sie ist Yogalehrerin mit einem Faible für Klamotten in einer so beunruhigenden Farbvielfalt, dass manche Leute vermutlich einen epileptischen Anfall riskieren, wenn sie sie zu lange ansehen.
Beide tragen sie ununterbrochen eine derart entspannte Miene zur Schau, dass man immer glaubt, sie hätten verbotene Substanzen geraucht. Wobei ich zwar nicht bezeugen kann, was sie in den Siebzigern getrieben haben; aber ich bin felsenfest davon überzeugt, dass beide einfach so auf die Welt kamen.
Ich werde Bob nie als Vater betrachten, aber ich freue mich, dass er und meine Mutter heiraten. Sie soll glücklich sein, und er würde alles für sie tun – natürlich nur, solange es nicht seiner langen Liste ethischer Überzeugungen im Hinblick auf alles von der Verschmutzung englischer Strände bis hin zur Käfighaltung von Kragenbären in China widerspricht.
Nicht, dass meine Mutter diesen Überzeugungen jemals widersprechen würde; ihre eigene Liste ist ausführlich genug, um die Gelben Seiten zu füllen.
Aber im Laufe der Zeit habe ich erkannt, dass meine Mutter – obwohl sie mir als Kind mehr Linsen vorgesetzt hat, als für jeglichen Verdauungsapparat gut sein kann (ich war zwölf, als ich meinen ersten Hamburger aß), und obwohl ihre Vorstellung von einem Familienurlaub darin bestand, sechs Nächte im Protestlager gegen die Stationierung nuklearer Waffen in Greenham zu campieren – zweifellos eine von den Guten ist.
Mein Vater hingegen, den sie 1972 in einem indischen Ashram kennenlernte, verschwand, als ich zwei war. Manchmal bilde ich mir ein, mich an ihn zu erinnern; aber dann bin ich mir wieder nicht sicher, ob ich mir nicht aus alten Fotos und über die Jahre aufgeschnappten Informationsschnipseln ein Bild von ihm im Kopf zusammensetze.
Ich würde nicht sagen, dass meine Mutter das Thema scheut; aber es kommt selten zur Sprache, und ich möchte sie auf keinen Fall drängen. Es kann nicht leicht sein, wenn der Vater des eigenen Kindes eines Tages einfach das Haus verlässt und niemals wiederkehrt. Offenbar wollte er nur schnell ein bisschen LSD kaufen gehen, was eigentlich schon genug über ihn aussagt. Andere Leute gehen einen Liter Milch holen und kommen nicht zurück. Mein Vater konnte sich nicht mal mit Anstand aus dem Staub machen.
»Weißt du was«, verkündet sie mit skeptischem Blick auf die Kleiderstangen, »ich glaube nicht, dass ich
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