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Bleib für immer!: Roman (German Edition)

Bleib für immer!: Roman (German Edition)

Titel: Bleib für immer!: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Costello
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folge ich ihrem Blick nach unten, und alles wird klar. Sie hatte recht mit den drei Kilo. Charlottes Kleid ist jetzt so eng, dass jeder Versuch zu atmen ernstliche Verletzungen zur Folge haben würde.
    »Charlotte«, versucht Grace das unerträgliche Schweigen zu überbrücken. »Du siehst wirklich, ähm, hübsch aus.«
    Sofort schämt sie sich für ihre eigene Unaufrichtigkeit. Und während ich noch selbst nach einem passenden Kommentar suche, bemerke ich, dass unserer Freundin Tränen über das Gesicht kullern.
    »Charlotte, warum weinst du denn?«, frage ich liebevoll. »Es ist doch okay, ehrlich. Kein Grund, sich aufzuregen.«
    Sie macht den Mund auf, aber es kommt nichts heraus. Ich lege den Arm um sie, während die anderen ebenfalls zu ihr stürmen.
    »Komm, setz dich hin«, sagt Georgia und winkt sie zu einem Samthocker.
    Die Tränen strömen jetzt über Charlottes Wangen, geführt von Georgia kommt sie aus der Kabine. Ich würde so gern etwas Tiefgründiges sagen, etwas so Bedeutungsvolles, dass es ihren offenkundigen Schmerz vertreibt.
    »Möchtest du eine Tasse Tee?« Das war jetzt nicht unbedingt das, nach dem ich gesucht hatte.
    Wortlos schüttelt sie den Kopf. Als sie Anstalten macht, sich auf den Hocker zu setzen, senkt sich eine merkwürdige Stille über den Raum. Alle sechs beobachten wir sie, ihre Augen sind rot und verweint, das Gesicht beinahe ausdruckslos.
    Vielleicht liegt es an der Intensität des Augenblicks, dass wir das Reißen hören, noch bevor sie auf der Sitzfläche auftrifft. Oder vielleicht liegt es nur daran, dass das entstandene Loch so groß ist. So oder so bleibt mir beim Klang von Charlottes platzendem Kleid das Herz stehen.
    Und damit bin ich nicht allein. Grace und Georgia halten sich die Hand vor den Mund. Valentina und Beth haben die Augen so weit aufgerissen wie Zeichentrickfiguren. Ginas Kiefer scheint nur noch Zentimeter über dem Boden zu hängen. Und die Schneiderin sieht schlicht und ergreifend so aus, als würde sie gleich ohnmächtig.
    Fast roboterhaft steht Charlotte wieder auf und betrachtet den Schaden im Spiegel. Er ist imposant – ein dreißig Zentimeter langer Riss, der sich wie eine klaffende Wunde mitten durch das Mieder zieht. Und zwar nicht einmal an der Naht, sondern im Stoff selbst. Die schiere Unmöglichkeit, das wieder zu reparieren, macht uns alle schwindlig.
    »Lassen Sie mich mal sehen«, quiekt die Schneiderin und fasst Charlotte am Arm, um sie umzudrehen. Doch genau als wir schon dachten, es könnte nicht mehr schlimmer kommen, hört man ein weiteres Krachen. Jetzt ist der Riss einen halben Meter lang.
    »Aarrg!«, macht die Schneiderin.
    »O Gott«, stößt Georgia aus.
    »Ach du Scheiße«, ergänze ich.

30
     
    A LS ENGLÄNDER schreibt man aus unerfindlichen Gründen einer simplen Tasse Tee die Sorte Heilkräfte zu, die man vom teuersten und exklusivsten Psychiater nicht verlangen würde.
    Völlig gleichgültig, was für ein Unglück über uns hereinbricht, welch Tod und Verderben sich uns in den Weg stellen, die Reaktion ist immer dieselbe: »Soll ich mal Wasser aufsetzen?«
    »Möchte jemand noch eine Tasse?«, fragt eine der Verkäuferinnen und steckt den Kopf durch die Tür.
    »Dieses Mal aber bitte wirklich Assam«, sagt Valentina.
    Das Merkwürdige daran ist ja, es funktioniert irgendwie. Zumindest hat es das bei Charlotte.
    Obwohl es möglicherweise nicht ausschließlich an dem Heißgetränk gelegen hat. In der letzten halben Stunde hat Charlotte Georgia, mir, vier weiteren Brautjungfern sowie einer Schneiderin ihr Herz ausgeschüttet. Letztere ist offenbar der Ansicht, wenn sie schon dieses Kleid wieder flicken muss, dann will sie wenigstens hören, was zu seinem Ruin geführt hat.
    Was Charlotte uns erzählt hat, davon hat sie uns gegenüber noch nie, niemals gesprochen. Was wirklich unfassbar ist, da unsere Freundschaft schon länger dauert als eine durchschnittliche Ehe.
    Im Nachhinein betrachtet hätte mich das alles wahrscheinlich nicht überraschen dürfen. Tatsache ist aber, dass es so war. Ich hätte nicht erstaunter sein können, wenn sie gestanden hätte, heimlich als Stripperin zu arbeiten.
    Es stellte sich heraus, dass die liebenswerte, sanfte Charlotte – Charlotte, die paradoxerweise selbst immer nur Gutes in den Leuten sieht – in sich selbst nichts als Schlechtes sehen kann. Und hinter ihrer Schüchternheit, die ich immer für eine ihrer Wesensarten gehalten habe, verbirgt sich ein so niedriges Selbstwertgefühl, dass es

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