Bleib für immer!: Roman (German Edition)

hat meine Mutter uns endlich erreicht.
    »Na dann, alles erledigt«, verkündet sie fröhlich und hält ihre Einkaufstasche hoch.
    Gareth macht zur Sicherheit einen Schritt rückwärts.
    »Schade, dass wir uns nicht noch länger unterhalten können«, rufe ich und zerre meine Mutter weg.
    »Tschüss, Evie«, ruft er mit besorgter Miene zurück. »Wir sehen uns dann auf der Hochzeit.«
    Mist, Mist, Mist.
    »Mum, hast du eine Ahnung, was du gerade getan hast?«
    »Was denn?«
    »Das war jemand, mit dem ich mal zusammen war. Er ist so ungefähr der letzte Mensch, dem ich auf deiner Hochzeit begegnen will.«
    Die Neuigkeit scheint sie nicht besonders zu berühren. »Ich fand ihn nett«, sagt sie.
    »Du findest jeden nett«, merke ich an.
    Sie zieht die Brauen zusammen. »Du bist doch diejenige, die mal mit ihm zusammen war.«
    Bei dem Gedanken dreht sich mir der Magen um. »Stimmt«, entgegne ich grimmig.
    »Ist ja auch egal. Aber dass du dich von jemandem getrennt hast, bedeutet ja nicht, dass man nicht befreundet bleiben kann.«
    »Ja, ich weiß«, behaupte ich, obwohl es mir bisher gelungen ist, diese Theorie umfassend zu widerlegen.
    Plötzlich fällt mir ein, dass diese Ablenkung mich davon abgehalten hat, auf Jacks SMS zu antworten. Dieser Gedanke muntert mich sofort wieder auf. Ich hole das Handy aus der Jacke, um meine Nachricht noch einmal durchzulesen, aber beim Blick auf das Display wird mir schlecht. Da steht Nachricht gesendet.
    Ach du … grüne Neune. Ich hab den Rohentwurf geschickt. Jetzt wird er mich für so ein Flittchen halten, dass Katie Price dagegen wie eine Sonntagsschullehrerin wirkt. Ich muss ihm sofort noch eine SMS hinterherschicken und das erklären. Aber wie zum Teufel soll ich das erklären?
    In heller Panik tippe ich einen neuen Text. Sorry – war ein Witz. Bin keine Nymphomanin, Ehrenwort! und drücke sofort auf Senden.
    Ein paar Minuten später kommt seine Antwort. Nur ein Satz.
    Bemühe mich, nicht zu enttäuscht zu sein.

36
     
    Grace und Patricks Haus in Mosley Hill, Liverpool Freitag, 30. März
     
     
    G RACE IST WIEDER der Schweiß ausgebrochen. Nicht die zarte, schimmernde Sorte, die man in der Deo-Werbung sieht. Mehr die rotgesichtige, Haare an den Kopf klatschende Sorte.
    »Ich wünschte, ich wäre wieder auf den Malediven«, stöhnt sie und wühlt unter dem Bett nach ihren Schuhen. »Mit dem geruhsamen Tempo dort könnte ich gut leben.«
    »Kann ich irgendwie behilflich sein?« Ich werfe einen Blick auf die Uhr. Bis wir endlich ankommen, sind die Mädels längst zu Tequila und männlichen Strippern übergegangen.
    »Äh, ja.« Sie wirft sich ihr Top über. »Bestimmt. Lass mich überlegen … genau, geh doch und frag Polly, ob sie meine Schuhe gesehen hat. Die mit den Diamanten darauf.«
    Polly ist unten und sieht sich Sponge Bob an. Sie ist so gefesselt, dass man mindestens eine Invasion von Aliens im Wohnzimmer bräuchte, um ihre Aufmerksamkeit zu erringen.
    »Hallo, Polly. Wie geht’s dir denn?«, frage ich.
    »Gut«, gibt sie zurück, ohne auch nur zu blinzeln.
    »Hast du die Schuhe deiner Mama gesehen? Die mit den Diamanten darauf?«
    »Nein«, sagt sie. Ich erkenne kaum eine Lippenbewegung.
    »Bist du sicher?«
    »Hmm, ja.«
    »Gut.« Ich weiß nicht, was ich jetzt machen soll.
    »Evie«, meldet sie sich, als ich schon halb wieder aus dem Zimmer bin. »Warum haben die Diamanten drauf?«
    Aha, das klingt doch schon ganz anders.
    Warum ist eines von Pollys derzeitigen Lieblingswörtern, neben Was? und Wo? und allem anderen, was eine Frage einleitet. In letzter Zeit werden von der ersten bis zur letzten Minute eines Tages Grace, Patrick und jeder andere, mit dem sie in Kontakt kommt, mit Fragen bombardiert. Fragen, Fragen und noch mehr Fragen. Das FBI könnte bei ihr Unterricht nehmen.
    Heute Abend haben wir bereits diverse Themen abgedeckt, unter anderem Religion: Warum macht Gott Menschen und lässt sie dann wieder sterben?
    Darauf muss man erst mal eine Antwort finden, wenn man gerade mit dem Eyeliner hantiert.
    Physik: Was kommt nach den Wolken im Himmel? Mathe: Wie viele Zahlen gibt es? Konfliktforschung: Wann haben die Kriege angefangen? Kino: Warum wurde Simba, der Löwenkönig, geboren? Sexualkunde: Warum wurde ich geboren? Und zusätzlich eine Fülle an Vermischtem, beispielsweise: Wer würde einen Kampf zwischen Superman und King Kong gewinnen? und Warum hat Mrs Harris (ihre Kindergärtnerin) einen Schnurrbart, obwohl sie eine Frau ist?
    Laut Graces Mutter ist