Bleib für immer!: Roman (German Edition)
das ein Beweis für ihren »wachen Verstand«.
»Ich glaube, die sind nur als Schmuck darauf, nur damit die Schuhe hübsch aussehen«, sage ich.
»Warum müssen sie hübsch aussehen?«, will sie wissen.
Ich sehe schon, dieses Gespräch hat das Potenzial zu einer langen, philosophischen Debatte, und da das Taxi für halb acht bestellt ist, bleibt uns vermutlich nicht genug Zeit.
Als ich mich oben nach Graces Fortschritt erkundigen will, schleudert sie gerade wahllos Plunder aus den Tiefen ihres Kleiderschranks heraus. Alte Bügel, Plastiktüten voller Strumpfhosen, eine Schachtel mit angebrochenen Feuchtigkeitscremes und eingetrocknetem Make-up sowie ungefähr sechs Paar Schuhe, von denen eines tatsächlich von Spinnweben überzogen ist. Alles auf einen Haufen getürmt, erinnert es an die gammelige, hinterste Ecke eines Flohmarkts.
»Mist«, sagt sie plötzlich, »kannst du mal nach meinem Lockenstab sehen?«
Der Lockenstab hat schon ein Loch in die Frisierkommode gebrannt und verströmt die Art von Aroma, die man von einem rostigen Grill kennt. Ich rette, was zu retten ist, da hört man Patrick von unten rufen.
»Soll Scarletts Po so aussehen?«
Grace atmet tief ein und rennt nach unten, gefolgt von mir. Ich bin nicht sicher, was ich zur Klärung dieser Frage beitragen kann, aber immerhin bringt es uns näher zur Haustür.
»Hmmm«, macht Grace über das Corpus Delicti gebeugt. »Sie ist ein bisschen wund von der Windel. Lass sie fünf Minuten trocknen und schmier dann dick Sudocrem drauf.«
»Alles klar.«
»Du bist offensichtlich nicht so vertraut wie ich mit den gesammelten Werken von Miriam Stoppard, sonst hättest du das gewusst«, fügt sie hinzu.
Sie meinte das eindeutig scherzhaft, doch ich bemerke trotzdem, dass Patrick ihr einen Blick zuwirft – einen beinahe bösen. Es ist die Art von Gesichtsausdruck, mit dem Valentina Verkäuferinnen bedenkt, die es wagen, ihr etwas Größeres als 36 in die Umkleidekabine zu reichen. Und so einen Blick habe ich bei Patrick noch nie gesehen, besonders nicht Grace gegenüber.
»Bist du sicher, dass wir noch Sudocrem haben?«, ruft er Grace in die Küche nach.
»Ja«, ruft sie zurück. Endlich hat sie auch ihre Schuhe gefunden.
»Ganz sicher?«, fragt er.
»Ja-ha.«
»Weil hier keine ist.«
»Doch.«
»Nein, hier ist keine«, entgegnet er energisch.
»Doch, da ist welche. Ich habe letzte Woche welche gekauft.«
»Dann musst du sie woanders hingetan haben.«
»Nein, habe ich nicht.«
»Musst du aber«, beharrt er, »weil sie nicht hier ist.« Seine Miene hat sich jetzt so verfinstert, dass er jetzt weniger an einen Firmenanwalt als an einen Militärdiktator erinnert.
Ich weiß, es ist nur ein harmloser Ehedisput, aber ich stehe hier vollkommen sprachlos, weil es so gar nicht zu Patrick und Grace passt. Sie streiten einfach nicht. Normalerweise jedenfalls nicht. Aber irgendetwas geht hier vor, so viel ist sicher, denn Patrick strahlt genug Feindseligkeit aus, um einen Eheberater bis Weihnachten auf Trab zu halten.
Jetzt marschiert Grace ins Wohnzimmer, schiebt ihn beiseite und wühlt durch die Windelbox, bis sie ein Töpfchen Sudocrem auftut.
»Ach so«, sagt er. »Mir war nicht klar, dass du von dem Zeug sprichst.«
»Und die Tatsache, dass in großen Lettern Sudocrem seitlich auf der Dose steht, fandest du nicht verräterisch?«, forscht sie nach. Wieder ist es ein unbekümmerter Witz, solche reißen die beiden normalerweise andauernd.
Doch Patrick sieht das nicht so. Er murmelt etwas Unverständliches und verlässt das Zimmer. Diplomatisch verzichtet Grace darauf, um Wiederholung zu bitten. Wie sich herausstellt, ist das auch nicht nötig.
»Mami«, fragt Polly, »was bedeutet auf den Sack gehen?«
37
A LLES IN ORDNUNG zwischen dir und Patrick?«, frage ich, als wir schließlich im Taxi sitzen.
»Ach, Gott, ja«, winkt sie ab, während sie versucht, in voller Fahrt das Werk mit dem Lockenstab zu vollenden. Im Augenblick sind die Haare nur halb fertig, was bedeutet, dass eine Hälfte so glatt wie gebügelt ist und die andere aussieht wie von Leo Sayer transplantiert. »Er ist nur zurzeit ein bisschen brummig, das ist alles. Nichts Großes. Ach, Mist.«
Graces BlackBerry klingelt, weswegen sie mir die Lockenschere wie einen Staffelstab in die Hand drückt und das Gerät aus ihrer Tasche gräbt. Sie betrachtet die Nummer auf dem Display und stößt ein langes Seufzen aus.
»Das ist Adele«, sagt sie niedergeschlagen. Ihre Chefin.
»Dann
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