Bleib für immer!: Roman (German Edition)
neununddreißig. Mach hier mal was draus.«
Ich werfe einen Blick auf die Überschrift: Blutspendetermine geändert .
Als ich frustriert einen Artikel darüber anfange, dass die Gelegenheit zum Blutspenden in der Childwall Library statt wie ursprünglich angekündigt für halb eins nun schon für zwölf Uhr angesetzt wurde, hebe ich den Kopf und bemerke den Aufruhr um mich herum. Eindeutig passiert gerade etwas Aufsehenerregendes.
»Was ist los?«, frage ich Jules neben mir.
Er deutet mit dem Kopf auf BBC News 24 auf den Bildschirmen. Es geht um die Geiselkrise, die seit Tagen in allen Zeitungen und allen Nachrichten ist.
»Einige der Entführten wurden gerade im Sudan freigelassen«, erzählt er. »Zudem haben wir gerade herausgefunden, dass einer von ihnen aus unserer Gegend ist. Graham ist schon dran.«
Ich sehe zu Graham hinüber, der hektisch, das Telefon ans Ohr geklemmt, einen Artikel tippt, und spüre einen Eifersuchtsstich.
Graham ist ein Jahr länger dabei als ich, aber die Storys, die wir bekommen, unterscheiden sich qualitativ so immens voneinander, als wären es zwanzig Jahre. Dann schaue ich mir auf dem Fernseher an, was die BBC dazu zu sagen hat.
»Eine der heute Morgen freigelassenen englischen Geiseln ist die zweiundvierzigjährige Janet Harper, eine Entwicklungshelferin aus Lancashire«, berichtet der Korrespondent. »Ihre Freilassung markiert das Ende eines entsetzlichen Martyriums, das vor drei Tagen mit ihrer Entführung durch Milizen in der Nähe eines Flüchtlingscamps in Darfur begann.«
Das ist eine Bombenstory, so viel ist sicher.
Der Korrespondent fährt fort: »Bei mir ist Jack Williamson, der Leiter von Future for Africa , jener Organisation mit Sitz in England, für die Miss Harper zur Zeit ihrer Geiselnahme tätig war.«
Als die Kamera zurückzoomt, knallt mein Kiefer fast auf den Boden.
Es ist Jack. Mein Jack. Jack, den ich dafür verflucht habe, mich versetzt zu haben. Jack, der dem Anschein nach eine verdammt gute Ausrede dafür hat, mich versetzt zu haben.
»Mr Williamson, hatten Sie seit ihrer Entlassung schon Kontakt zu Janet Harper?«, fragt der BBC-Korrespondent.
Jack ist unrasiert und wirkt müde, aber sein Aussehen würde trotzdem noch eine Nonne dazu bewegen, ihre Berufswahl neu zu überdenken.
»Ja, das hatte ich«, sagt er. »Ich habe vor einer Stunde mit ihr gesprochen.«
»Und können Sie uns sagen, in welcher Verfassung sie sich befindet?«, fragt der Reporter.
»Sie ist physisch unversehrt, steht aber natürlich unter Schock«, erzählt Jack. »Momentan wird sie im Krankenhaus behandelt, und es geht ihr den Umständen entsprechend sehr gut.«
»Es gab einige Kritik an Ihrer Organisation, angesichts der Unruhen Ihre Leute nicht früher aus der Region abgezogen zu haben.«
»Dessen bin ich mir bewusst«, entgegnet Jack. »Wir haben die Situation von zu Hause aus sorgfältig überwacht und, um ehrlich zu sein, mit wachsender Besorgnis beobachtet. Zwei Tage vor ihrer Entführung habe ich noch mit Janets Projektleiter vor Ort gesprochen, und wir einigten uns darauf, uns zurückzuziehen, sollte sich die Lage weiter verschärfen. Leider wurden wir von den Ereignissen überholt. Und ich bedaure schmerzlich, dass wir die Situation falsch eingeschätzt haben.«
Als der Bericht zu Ende ist, rase ich zum Chefredakteur.
»Simon«, keuche ich atemlos, »setz mich auf die Story an. Du musst mich auf diese Story ansetzen.«
74
S IMON SIEHT MICH AN, als wäre ich ein Haufen Schmutz, den er doch gerade eben erst vor die Tür gekehrt hatte.
»In den meisten Redaktionen ist es üblich, dass die Reporter tun, was der Chefredakteur ihnen sagt«, stellt er barsch fest. »Außer natürlich, du hast deine Pressemitteilung schon abgearbeitet.«
»Nein, habe ich nicht. Aber ich kenne den Typen aus dem Fernsehen!«
»Wen?«, fragt er. »Michael Buerk?«
Ich verkneife mir, ihn darüber aufzuklären, dass dieser spezielle BBC-Afrikakorrespondent ungefähr zwanzig Jahre jünger ist als Michael Buerk und außerdem asiatischer Abstammung.
»Nein«, sage ich. »Den anderen, Jack Williamson, den Chef der Hilfsorganisation, bei der die Geisel angestellt ist.«
»Na und?« Simon zuckt mit den Schultern. »Wer interessiert sich schon für den? Die Frau wollen wir.«
»Aber …«, versuche ich es noch einmal.
»Hör mir mal zu. Wenn du mir nicht gerade ein Interview mit der Familie der Frau und die ersten Fotos von ihr rechtzeitig für die Abendausgabe besorgen kannst, dann
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