Bleib nicht zum Frühstück
unerträgliche Karrieristin war.
Janes Hände verkrampften sich in ihrem Schoß. Sie haßte es, Cals Mutter weh zu tun. Lynn hatte auf einmal etwas Zerbrechliches, etwas Trauriges an sich, das sie bisher geschickt unter ihrem eleganten Auftreten verborgen hatte. Egal, in was für ein schlechtes Licht Jane sich zu rücken gezwungen war, sie durfte keine falschen Hoffnungen wecken. Am Ende wäre deren Zerstörung grausamer als alles andere.
Sie setzte ein dünnes Lächeln auf. »Also, falls jemals jemand bezweifeln würde, daß Cal etwas Besonderes ist, braucht der ihn auch nur selbst zu fragen. Er läßt keine Zweifel offen.«
Lynns Kopf schoß nach oben, und gleichzeitig umklammerte sie die Armlehnen des Schaukelstuhls. »Du scheinst ihn nicht besonders zu mögen.«
»Natürlich mag ich ihn, aber niemand ist perfekt.« Jane hatte das Gefühl, als drücke ihr jemand die Kehle zu. Nie zuvor war sie absichtlich grausam gewesen, und entgegen besseres Wissen machte ihr Verhalten sie fast krank.
»Ich kann einfach nicht verstehen, warum du ihn geheiratet hast.«
Jane mußte fort von hier, ehe sie zusammenbrach, und so sprang sie auf. »Er ist reich, intelligent und mischt sich nicht in meine Arbeit ein. Gibt es sonst noch was, was für Sie von Interesse ist?«
»Allerdings.« Lynn ließ die Lehnen los und erhob sich ebenfalls. »Warum, zum Teufel, hat er dich geheiratet?«
Wenn schon, dann begrub sie am besten auch gleich Lynns letzte Hoffnung. »Das ist ganz einfach. Ich bin intelligent, mische mich nicht in seine Arbeit ein und bin gut im Bett. Hören Sie, Lynn, regen Sie sich nicht auf. Weder ich noch Cal haben allzu viele Gefühle in diese Ehe investiert. Wir hoffen, daß es funktionieren wird, aber falls nicht, werden wir es beide überleben. Wollen Sie mich jetzt bitte entschuldigen, denn ich muß wirklich an meinen Computer zurück. Sagen Sie Annie, daß sie Cal anrufen soll, wenn sie etwas braucht.«
»Er soll mein Haus fertig streichen.«
Janes Kopf fuhr herum, und entsetzt sah sie, daß Annie in der Tür ihres Schlafzimmers stand. Wie lange hatte sie dort wohl schon gestanden und diesem Gespräch gelauscht? Bei Annie wußte man einfach nie… Offenbar hatte sie Lynn nicht erzählt, daß Jane schwanger war; aber was hatte sie überhaupt gesagt? Hinter ihren Falten und dem blauen Augen-Make-up bedachte die alte Frau sie mit einem Blick, der nur mitfühlend zu nennen war.
»Ich werde es ihm ausrichten«, sagte Jane.
»Tu das.« Annie nickte kurz und wandte sich dann der Küche zu.
Mit Tränen in den Augen rannte Jane zu ihrem Wagen zurück. Zur Hölle mit Cal, daß er sie nach Salvation geschleppt hatte! Zur Hölle mit ihm, daß er sie in diese Ehe gezwungen und geglaubt hatte, es wäre so einfach, sich bei seinen Eltern wie ein Monster aufzuführen!
Aber während sie den Schlüssel ins Zündschloß schob, gestand sie sich ihre eigene Schuld an diesem Fiasko ein. Sie selbst hatte sich in diese Situation manövriert, und ihr erster Übergriff hatte sich ausgebreitet, so daß nun eine ungeahnte Zahl von Menschen mitbetroffen war. Du große Güte!
Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen, lenkte den Wagen blind die Straße hinab und dachte unwillkürlich an den Schmetterlingseffekt. Im Zusammenhang mit der Chaostheorie hatten Wissenschaftler festgestellt, daß etwas so Unmerkliches wie der Flügelschlag eines Schmetterlings in Singapur derart viele Dinge nach sich ziehen konnte, daß er am Ende sogar die Wettervorhersage in Denver beeinflußte. Außerdem eignete sich der Schmetterlingseffekt hervorragend zur Veranschaulichung einer kleinen Lektion in Moral. Sie erinnerte sich daran, daß sie mit ihren Drittklässlern darüber gesprochen und ihnen erklärt hatte, jede gute Tat, egal, wie bescheiden sie auch war, könne zu weiteren guten Taten führen, bis sich am Ende die ganze Welt zum Besseren wendete.
Ihre Tat hatte auch eine Menge bewirkt, nur leider nichts Positives. Ihr selbstsüchtiger Akt verursachte einer immer größer werdenden Zahl Unbeteiligter enormes Leid, das sich ständig ausbreitete. Sie hatte Cal weh getan, nun auch seinen Angehörigen, und vor allem täte sie durch ihr Fehlurteil bezüglich seiner geistigen Fähigkeiten am Ende sogar der neuen kleinen Hauptperson weh.
Sie war zu erregt, um zu arbeiten, und so fuhr sie in die Stadt zu einer Apotheke. Als sie wieder herauskam, drang eine bekannte Stimme an ihr Ohr.
»Hallo, meine Schöne! Und, haben Sie für mich
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