Bleib nicht zum Frühstück
Fehler. Lynn mochte es nicht, wenn man sie in die Enge trieb, und angesichts von Erpressung hatte sie schon immer ihren ganz eigenen Starrsinn an den Tag gelegt. Jetzt sah sie ihn reglos an. »Annie hat mir aufgetragen, dir zu sagen, daß sie deine ständigen Anrufe stören.«
»Das ist bedauerlich.«
»Sie ist wirklich wütend auf dich.«
»Annie ist seit meiner Kindheit wütend auf mich.«
»Unsinn. Ihre gesundheitlichen Probleme machen sie einfach gereizt.«
»Wenn sie aufhören würde, kiloweise Butter zu essen, ginge es ihr vielleicht besser.« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
»Du weißt genau, warum sie nicht will, daß wir miteinander reden. Weil sie es prima findet, daß du dich den ganzen Tag bei ihr aufhältst und dich um sie kümmerst.
Das gibt sie bestimmt nicht so leicht auf.«
»Ist es das, was du denkst?«
»Darauf kannst du wetten!«
»Du irrst dich. Sie versucht lediglich, mich zu beschützen.«
»Vor mir? Aha!« Seine Stimme wurde sanft. »Verdammt, Lynn, ich war dir stets ein guter Ehemann. Daß ich jetzt so behandelt werde, habe ich nicht verdient.«
Sie blickte auf ihren Teller, doch dann sah sie ihn mit schmerzerfüllten Augen an. »Es geht immer nur um dich, nicht wahr, Jim? Von Anfang an warst du die Hauptperson. Was du verdient hast. Wie du dich fühlst. In welcher Stimmung du gerade bist. Ich habe mein ganzes Leben danach ausgerichtet und versucht, es dir recht zu machen, aber es hat nicht gereicht.«
»Das ist einfach lächerlich. Du übertreibst. Hör zu, vergiß alles, was mir neulich herausgerutscht ist. Ich habe es nicht so gemeint, war einfach – ich weiß nicht – wahrscheinlich stecke ich in einer Art Midlife-Krise oder so. Ich mag dich, wie du bist. Du bist die beste Frau, die ein Mann haben kann. Laß uns einfach vergessen, was passiert ist, und so weitermachen wie bisher.«
»Das kann ich nicht, weil du es einfach nicht kannst.«
»Was faselst du da?«
»Irgendwo in deinem Inneren hegst du einen Widerwillen gegen mich, der am Tag unserer Hochzeit aufbrach und seither nicht verschwunden ist. Wenn du mich zurückhaben willst, dann nur aus Gewohnheit. Ich glaube nicht, daß du mich besonders magst, Jim. Vielleicht hast du mich nie gemocht.«
»Also hör mal! Du übertreibst die ganze Angelegenheit.
Sag mir nur, was du willst, und ich gebe es dir.«
»Im Augenblick will ich tun und lassen, was mir gefäl t.«
»Fein! Bitte sehr, ich stehe dir dabei nicht im Weg. Deshalb brauchst du nicht davonzulaufen.«
»Doch, das muß ich.«
»Du gibst an allem mir die Schuld, nicht wahr? Mach nur weiter damit! Aber dann erklär auch deinen Söhnen, was für ein mieser Kerl ich bin. Und wenn du das tust, erinnere sie bitte zugleich daran, daß du diejenige bist, die mich nach siebenunddreißig Ehejahren verläßt, und nicht umgekehrt.«
Wieder sah sie ihn reglos an. »Weißt du was? Ich denke, du hast mich bereits an dem Tag verlassen, an dem du mich geheiratet hast.«
»Ich wußte, daß du eines Tages anfangen würdest, mir die Vergangenheit vorzuhalten. Jetzt wirfst du mir also die Sünden eines achtzehnjährigen Jungen vor.«
»Das tue ich nicht. Ich bin es nur leid, mit dem Teil von dir zusammenzuleben, der immer noch achtzehn ist, dem Teil, der nach wie vor nicht damit fertig geworden ist, daß er Amber Lynn Glide geschwängert hat und die Konsequenzen zu tragen gezwungen war. Der Junge, der denkt, er hätte etwas Besseres verdient, ist immer noch ein Teil von dir.« Ihre Stimme bekam einen müden Klang. »Die ständigen Schuldgefühle habe ich satt, Jim. Ich bin es leid, mich permanent beweisen zu müssen.«
»Dann hör doch damit auf! Ich habe dich nicht da/u gezwungen, zu diesem Lebensstil. Den hast du selbst gewählt.«
»Und jetzt muß ich herausfinden, wie ich ihn ändern kann.«
»Wie kannst du nur so egoistisch sein! Willst du dich scheiden lassen, Lynn? Ist es das, worum es dir geht? Denn wenn du die Scheidung anstrebst, dann sag es klipp und klar. Ich mache diesen Schwebezustand nicht mehr mit. Sag es mir am besten sofort.«
Er wartete auf ihren Schock. Dieser Vorschlag war undenkbar. Aber sie wirkte sehr gelassen, und allmählich wallte Panik in ihm auf. Warum sagte sie nicht, er solle aufhören, solchen Unsinn zu reden – ihre Situation wäre nicht annähernd schlimm genug, um auch nur an Scheidung zu denken? Aber offenbar hatte er sich wieder einmal verkalkuliert.
»Vielleicht wäre das wirklich das beste.«
Seine Kehle schnürte sich
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