Bleib nicht zum Frühstück
auf seinen Schoß zu ziehen, aber es war zu spät. Sein Vater hatte sie bereits entdeckt.
Fluchend kurbelte er die Fensterscheibe herunter, und während er mit seinem Wagen ein gutes Stück von dem schlammbespritzten roten Wagen entfernt stehen blieb, rief er: »Was gibt's, Dad?«
»Was meinst du, was es gibt? Mach dieses verdammte Tor auf und laß mich rein!«
Na wunderbar, dachte er entnervt. Einfach wunderbar, die Krönung eines Tages, der von Anfang an bescheiden verlaufen war. Er drückte den Knopf der Fernbedienung, nickte seinem Vater zu, trat aufs Gaspedal und schoß so eilig an dem Besucher vorbei, daß sein alter Herr Jane nicht genau zu sehen bekam.
Der Funke Sympathie, den er noch einen Augenblick zuvor für sie empfunden hatte, erlosch. Er wollte nicht, daß sie seinen Eltern begegnete. Schluß, aus. Er hoffte nur, sein Vater käme nicht auf die Idee und spräche von den Aktivitäten, aufgrund derer er so selten zu Hause war. Je weniger Jane über sein Privatleben wußte, desto leichter täte er sich.
»Du gehorchst mir gefälligst«, befahl er jetzt. »Und was auch immer du von dir gibst, laß ihn nicht wissen, daß du schwanger bist.«
»Irgendwann findet er es sowieso heraus.«
»Je später, um so besser. Am besten erst im letzten Augenblick. Und nimm diese verdammte Brille ab!« Sie erreichten das Haus, und Cal drängte sie hinein, ehe er sich umdrehte und seinem Vater entgegenging.
Jane hörte das Krachen der Tür, also war er wieder mal wütend. Ein herrlicher Mr. Summa cum laude. Sie biß sich auf die Lippe und wandte sich der Küche zu. Dort angekommen, legte sie die Hand auf den Bauch und murmelte:
»Es tut mir leid, mein Liebling, ich habe es nicht gewußt.
Wirklich nicht!«
Derweilen zupfte sie ein paar trockene Blätter aus ihrem wirren Haar. Sie sollte sich zusammenreißen, ehe Cals Vater den Raum betrat; doch sie war so sehr mit der Sorge beschäftigt, wie sie ein Genie erziehen sollte, daß sie ihre Brille, statt sie abzusetzen, ein Stückchen höher schob.
Cals Stimme erklang im Korridor: »… und da sich Jane heute bereits wesentlich besser gefühlt hat, haben wir Annie besucht.«
»Wenn es ihr so viel besser ging, hättet ihr vielleicht statt dessen besser deine Eltern beehrt.«
Sie warf ihre Jacke auf einen der Hocker und wandte sich den Männern zu.
»Dad, das alles habe ich dir und Mom doch bereits gestern beim Abendessen erklärt. Ich habe gesagt…«
»Schon gut.« Cals Vater blieb stehen, als er seine Schwiegertochter erblickte.
Die Vorstellung, die sie sich von ihm gemacht hatte als einem gutgelaunten alten Mann mit dickem Bauch und weißem Haar, hatte sich bereits in dem Augenblick, als sie ihn vor dem Tor entdeckte, aufgelöst. Unbestreitbar stand sie nun einer älteren Version ihres Gatten gegenüber.
Er war ebenso beeindruckend – groß, gutaussehend, raun –, und mit seinem roten Flanellhemd, der zerknitterten Hose und den zerkratzten Lederstiefeln hatte er genau die passende Kleidung an. Sein dichtes, dunkles Haar, das er länger und struppiger trug als Cal, wies ein paar silbrige Strähnen auf; aber er wirkte nicht älter als Mitte Fünfzig, viel zu jung und zu gutaussehend für einen sechsunddreißigjährigen Sohn.
Er ließ sich Zeit mit seiner Musterung, und ohne Schwierigkeiten erkannte sie in seinem geraden, direkten Blick die Verwandtschaft mit Cal. Während sie sich seiner Prüfung stellte, wurde ihr klar, daß er offenbar über die neue Schwiegertochter noch zu keinem Ergebnis gekommen war. Trotzdem bedachte er sie mit einem warmen Lächeln und reichte ihr die Hand.
»Ich bin Jim Bonner. Schön, daß wir uns endlich einmal begegnen.«
»Jane Darlington.«
Sein Lächeln legte sich, er runzelte die Stirn und zog seine Hand zurück. »Hier in der Gegend nehmen die meisten Frauen bei der Hochzeit den Namen ihres Mannes an.«
»Ich bin nicht von hier und heiße Darlington. Außerdem bin ich vierunddreißig Jahre alt.«
Hinter ihr wurde ein ersticktes Krächzen laut, doch Jim Bonner lachte fröhlich auf. »Ach, nein!«
»Oh, doch. Vierunddreißig und mit jeder Sekunde kommt noch was dazu.«
»Es reicht, Jane.« Die Warnung in Cals Stimme sagte ihr, daß es besser wäre zu schweigen, aber sie ignorierte den drohenden Unterton.
»Du siehst gar nicht krank aus.«
»Das bin ich auch nicht.« Sie spürte, daß etwas über ihren Rücken strich – anscheinend löste sich die Haarnadel aus ihrem Knoten.
»Heute morgen hat sie sich plötzlich
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