Bleib nicht zum Frühstück
suche das Top Quark nicht, sondern ich erforsche seine Eigenschaften.«
»Und? Wie viele Top-Quarks passen auf einen Stecknadelkopf?«
»Mehr, als du dir vorstellen kannst.« Sie war immer noch überrascht, daß er über ihre Arbeit Bescheid wußte.
»Wenn ich mich schon nach Ihrem Thema erkundige, Professor, so dürfen Sie versichert sein, daß mir, wenn vielleicht auch nicht jede Einzelheit, so doch das Gesamtkonzept begreiflich ist.«
Wieder einmal hatte sie vergessen, wie brillant er war.
Was sie allerdings erstaunlicherweise angesichts des muskulösen Sportlerkörpers, den sie vor sich sah, irgendwie überzeugend fand. Ehe ihre Gedanken allerdings in dieser Richtung weitergingen, wandte sie sich wieder dem Thema ihrer Forschung zu. »Was weißt du über Quarks?«
»Nicht allzu viel. Bei Quarks handelt es sich um subatomare Partikel, und sie sind die Grundlage aller Materie. Bisher sind – wie viele? – sechs? Arten von Quarks bekannt.«
Das war mehr, als die meisten Menschen wußten, und sie freute sich. »Top und Bottom Quarks, Up und Down, Strange und Charm. Die Namen stammen aus James Joyces Finnegans Wake.«
»Siehst du, das ist ein Teil des Problems mit euch Wissenschaftlern! Wenn ihr eure Namen aus Tom Clancys Reißern nehmen würdet – die die Allgemeinheit tatsächlich liest – dann würden wir normalen Menschen besser verstehen, was ihr treibt.«
Vergnügt lachte sie auf. »Sollte ich jemals etwas Bedeutsames entdecken, nenne ich es Roter Oktober.«
»Tu das.« Er schwang sein Bein über einen Hocker und bedachte sie mit einem erwartungsvollen Blick. Sie merkte, daß er auf weitere Auskünfte wartete.
An der Ecke der Theke stellte sie sich in Positur. »Was wir über das Top Quark wissen, erstaunt uns immer wieder. Zum Beispiel ist es vierzigmal so schwer wie das Bottom Quark, ohne daß wir wissen, warum. Je mehr wir über die Eigenschaften des Top Quark in Erfahrung bringen, um so näher kommen wir den Rissen im Standardmodell der Teilchenphysik. Natürlich ist unser ganz großes Ziel die Entwicklung einer endgültigen Theorie, über die man zu einer vollkommen neuen Physik gelangt.«
»Die Theorie von allem?«
»Also, wenn man genauer sein will, spricht man von der Großen Gesamtheitstheorie – wie du sagst, die Theorie von allem. Manche von uns denken, daß das Top Quark einen kleinen Teil dieser Theorie enthüllt.«
»Und du willst der Einstein dieser neuen Richtung sein.«
Eifrig wischte sie mit der Fingerspitze an einem Fleck herum. »In der ganzen Welt gibt es brillante Physiker, die alle mit derselben Arbeit beschäftigt sind.«
»Aber keiner von ihnen schüchtert dich auch nur im geringsten ein, oder?«
Sie grinste. »Stimmt.«
»Na dann, viel Glück, Professor«, lachte er. »Ich wünsche Ihnen was!«
»Vielen Dank!« Sie wartete darauf, daß er das Thema wechselte – die meisten Menschen bekamen bereits nach kurzer Zeit einen verständnislosen Blick, wenn sie über ihre Arbeit sprach –, doch er stand auf, holte sich eine Tüte Taco-Chips aus der Speisekammer und lümmelte sich auf die rote Samtbank in der Nische, ehe er mit Fragen zur Arbeitsweise von Teilchenbeschleunigern begann.
Nicht lange, und sie saß ihm gegenüber, schob sich Taco-Chips in den Mund und beschrieb die Einrichtungen der internationalen Forschungslabors – was immer neue Fragen für ihn aufwarf.
Zuerst antwortete sie begeistert, da es sie freute, einem Laien begegnet zu sein, der echtes Interesse an der Teilchenphysik zeigte. Es war gemütlich, spät abends in dieser warmen Küche zu sitzen, Chips zu essen und über ihre Arbeit zu sprechen. Ihr Verhältnis kam ihr beinahe wie eine echte Beziehung vor. Aber ihre Freude legte sich, als ihr klar wurde, daß er entsetzlicherweise alle ihre Erklärungen mühelos verstand.
Ihr Magen verkrampfte sich, als sie merkte, wie leicht ihm diese komplexen Zusammenhänge eingingen. Was, wenn ihr Baby noch hochfliegender würde, als sie bereits befürchtete? Der Gedanke machte sie schwindlig, so daß sie mit einer weiteren komplizierten Erläuterung begann, die ihn dann doch endlich überforderte.
»Ich fürchte, das ist zu hoch für mich, Professor.«
Hätte sie ihn doch nur anschreien können, daß er sie nicht verstand, weil er dafür zu dämlich war! Statt dessen blieb ihr nur zu sagen: »Das Ganze ist auch eine ziemlich haarige Angelegenheit.« Gähnend erhob sie sich von ihrem Platz. »Für heute reicht es, glaube ich.«
»In Ordnung.«
Und nun
Weitere Kostenlose Bücher