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Bleib ungezaehmt mein Herz

Titel: Bleib ungezaehmt mein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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hereinbrechende Dunkelheit den Kämpfen ein Ende bereitet und das unablässige Bombardement der Kanonen endlich aufgehört hatte, holte Judith Wasser für die Durstenden, besorgte Bandagen aus dem Feldlazarett, um die leichter zugänglichen Wunden zu verbinden, und saß neben Männern, die im Sterben lagen oder in die schmerzerfüllte Welt eines gnädigen Dämmerzustands hinüberglitten. Sie hörte Träume und Schreckensschreie, Geständnisse und tiefe Sehnsüchte, und ihr Herz war erfüllt von Mitgefühl und Entsetzen angesichts soviel Leid und Qual und einer derartigen Verschwendung unzähliger junger Menschenleben.
    Den ganzen endlosen Abend hindurch hielt sie ständig nach Sebastian Ausschau, horchte aufmerksam auf den Klang seiner Stimme. Er mußte doch irgendwo in diesem heillosen Durcheinander sein. Es sei denn, er hatte seinen Weg auf das Schlachtfeld gefunden, und irgendeine verirrte Kugel hatte ihn... aber sie durfte sich nicht erlauben, auch nur an diese Möglichkeit zu denken.
    Marcus fand Judith im Feldlazarett, die Hand eines jungen Fähnrichs haltend, während ein Chirurg sein Bein amputierte. Der Junge biß auf einen Lederriemen, und seine Finger waren blutleer, als er Judiths Hand umklammerte. Marcus beobachtete das Geschehen aus der Dunkelheit bis zu dem Augenblick, als der Patient in tiefe Bewußtlosigkeit sank und seine Hand schlaff auf den Tisch fiel.
    Judith massierte ihre gequetschten Finger und blickte sich suchend danach um, wo sie sich weiterhin nützlich machen konnte.
    Sie entdeckte Marcus und starrte ihn müde an, als er auf sie zukam. Ihr Gesicht war verschmiert mit Staub und Ruß von den Kanonenfeuern, ihr Rock mit Blut bespritzt, ihre Augen von Erschöpfung gezeichnet. Sie strich ihr Haar zurück, das ihr schweißnaß von der schwülen Hitze des Krankenzelts an der Stirn klebte.
    »Wie stehen die Dinge?«
    »Die Armee weicht zu einer neuen Gefechtslinie am Mont St. Jean zurück«, berichtete Marcus. »Wellington und sein Stab sind noch hier und ziehen Bilanz.« Er holte sein Taschentuch hervor und tupfte ihre Stirn trocken, dann nahm er ihr Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger und wischte einen schwarzen Streifen von ihrer Wange. Seine Augen blickten düster. »Ich versuche die ganze Zeit, irgend etwas über Charlie zu erfahren. Die Verluste sind erschreckend hoch.«
    »Ich habe gehofft, Sebastian zu finden.«
    Judith sah sich im Lazarettzelt um. Laternen tauchten den Schauplatz jetzt in einen blutroten Lichtschein, warfen riesige Schatten an die Zeltwand, während die Chirurgen und ihre Helfer sich zwischen Tischen, beladen mit Verwundeten, hin und her bewegten. »Was sollen wir tun?«
    »Du bist erschöpft«, sagte Marcus. »Du brauchst eine Mahlzeit und Ruhe.«
    Judith ließ den Kopf sinken, als wäre ihr Hals auf einmal nicht mehr kräftig genug, ihn zu stützen. »Aber hier ist immer noch soviel zu tun.«
    »Heute abend nicht mehr. Morgen wird es genausoviel und noch mehr zu tun geben.« Er nahm ihren Arm und zog sie zur Zeltöffnung. Ihr Fuß rutschte in einer Blutlache aus, und sie klammerte sich verzweifelt an ihn. Seine starken Arme glitten um sie, hielten sie fest, und einen Moment lang gab sie sich ganz seiner Stärke hin, ihr geschmeidiger, schlanker Körper plötzlich kraftlos und matt.
    Marcus hielt Judith an sich gedrückt, fühlte die Kraftlosigkeit ihrer Glieder, so zart wie die eines kleinen Tieres. Sie roch nach Blut und Erde und Schweiß, und er war überrascht, als plötzlich eine Welle von Zärtlichkeit in ihm aufstieg. Nicht unbedingt ein Gefühl, an das er gewöhnt war, und ganz sicher nicht bei Judith, die ihn erregte, verärgerte, herausforderte, amüsierte - manchmal alles zur gleichen Zeit aber bisher noch nie Beschützerinstinkte in ihm wachgerufen hatte. Er drückte einen Kuß auf ihre feuchte Stirn und führte sie in die kühle Nachtluft hinaus.
    »Bevor wir irgend etwas anderes tun«, begann er, »müssen wir uns um eine bestimmte Sache kümmern. Ich habe schon alles arrangiert; es wird also sehr diskret vor sich gehen.«
    »Was für eine Sache?«
    Marcus ergriff ihre linke Hand, an der immer noch sein Siegelring steckte, und betrachtete sie stirnrunzelnd. »Wir müssen deine Anwesenheit mit mir hier erklären, und es gibt nur eine Erklärung. Ich möchte es ohne Verzögerung in Ordnung bringen. Im Dorf wohnt ein belgischer Priester, der bereit ist, die Zeremonie durchzuführen. Es wird nicht lange dauern.«
    Judith ging auf, daß sie aus irgendeinem

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