Bleib ungezaehmt mein Herz
Unterton in seiner Stimme hören, konnte fast den häßlichen Zug um seinen Mund sehen, und dennoch kam er nicht dagegen an.
Aus Angst vor dem, was sie tun oder sagen würde, wenn sie auch nur eine Minute länger mit Marcus im selben Raum bliebe, machte Judith schweigend kehrt und schloß die Tür mit übertriebener Sorgfalt hinter sich. Ihre Wangen brannten vor Verlegenheit. Er warf ihr vor, ihre Stellung auszunutzen, um ihre eigene Habgier zu befriedigen. Was glaubte er eigentlich, wer sie war? Aber sie wußte die Antwort: eine verschwörerische, skrupellose Schwindlerin, die vor nichts haltmachen würde, um ihr Ziel zu erreichen.
Aber es war nicht wahr. Oh, sicher, oberflächlich betrachtet vielleicht. Sie spielte die Karten ihrer Ehe nicht mit völliger Ehrlichkeit aus. Und dennoch war sie nicht die verabscheuungswürdige Person, für die er sie hielt.
Und sie dachte gar nicht daran, sich einem mageren Taschengeld und einer kontrollierenden Hand auf ihrem Portemonnaie zu unterwerfen! Judith preßte entschlossen die Lippen zusammen. Was sie für Sally tun konnte, konnte sie auch für sich selbst tun. Sie würde ganz einfach zu den alten Zeiten zurückkehren und ihren Lebensunterhalt am Spieltisch verdienen. Und Marcus Devlin und sein vierteljährliches Taschengeld konnten zur Hölle fahren.
Eine halbe Stunde später ging Judith, von einem Lakaien begleitet, zu der Wohnung ihres Bruders in der Albemarle Street. Sebastian wollte gerade zu einem Fünfuhrausritt in den Hyde Park aufbrechen, verschob jedoch in seiner gewohnten Gutmütigkeit den Ausflug und führte seine Schwester ins Wohnzimmer.
»Sherry?«
»Bitte.« Judith nahm das Glas, das er ihr reichte.
»Also, was kann ich für dich tun, Ju?«
»Verschiedenes.« Sie erklärte die Sache mit Sally und den viertausend Pfund.
Sebastian runzelte die Stirn. »Das ist aber eine verdammt große Ausbeute für einen einzigen Abend, Ju.«
»Ich weiß, aber was bleibt uns anderes übrig? Wenn Marcus jemals herausbekommen sollte, was Sally getan hat, wüßte ich nicht, wie er reagieren würde. Jack wäre vielleicht ein bißchen verständnisvoller, aber er würde sich Marcus' Meinung anschließen wie immer.«
»Er übt ziemlich viel Macht aus, dein Ehemann«, stellte Sebastian fest.
»Ja«, stimmte Judith zu. »Jacks älterer Bruder, Charlies Vormund... mein Mann«, fügte sie mit einem fast bösartigen Unterton hinzu.
»Was ist passiert?« fragte Sebastian ohne Umschweife.
Judith sagte es ihm, versuchte dabei, ihre Stimme zu beherrschen, aber ihr Ärger wallte von neuem auf, als sie die peinliche Unterredung wiedergab. Sie marschierte wütend in Sebastians Wohnzimmer auf und ab, und das bestickte Volant ihres Ausgehkleides schwang dabei heftig um ihre Knöchel. »Es ist unerträglich«, stöhnte sie zum Schluß mit einer brüsken Handbewegung. »Marcus ist unerträglich, die Situation ist unerträglich.«
»Was willst du unternehmen?« Sebastian kannte seine Schwester gut genug, um zu wissen, daß sie sich niemals lammfromm den Anweisungen ihres Mannes beugen würde.
»Für mich selbst sorgen«, erwiderte sie. »An den Spieltischen. Genau wie vorher.«
Sebastian pfiff leise durch die Zähne. »Ich nehme an, du kannst ihm nicht einfach sagen, daß du nicht wußtest, wer im Schankraum in Quatre Bras war, oder? Immerhin scheint das die Ursache des ganzen Unfriedens zu sein.«
Judith schüttelte den Kopf. »Es würde nichts nützen. Marcus ist fest entschlossen, nur das Schlechteste von mir zu glauben, und die Wahrheit ist ja auch fragwürdig genug.« Sie warf ihrem Bruder einen hilflosen Blick zu. »Angenommen, ich sage: >Ich habe dich nicht absichtlich ins Netz gelockt, aber die Gelegenheit war zu günstig für eine Abenteurerin, die dringend eine gesellschaftliche Stellung brauchte, um ihr geheimes Ziel zu verfolgen. Und außerdem sind wir gar nicht richtig verheiratet, aber ich wollte nicht, daß du das weißt.< Na?« Sie schaute Sebastian mit hochgezogenen Brauen an.
Er tat, als müßte er erst darüber nachdenken. »Nein, ich fürchte, das wäre keine gute Lösung. Aber egal, du weißt, du kannst auf mich zählen. Die Spiele um hohe Einsätze beginnen bei Dolbys immer erst nach Mitternacht. Wenn du zum Cavendish House gehst, werde ich dich von dort aus begleiten. Ist dir damit gedient?«
»Wunderbar. Marcus hat nicht die Absicht, beim Cavendish House zu erscheinen, und er wird nicht überrascht sein, wenn ich erst in den frühen Morgenstunden nach Hause
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