Bleib ungezaehmt mein Herz
komme. Wir gehen immer getrennte Wege.«
»Du solltest lieber etwas aus dem >Gracemere-Fonds< nehmen«, meinte Sebastian. »Du wirst anfangs ordentliche Einsätze leisten müssen, und dein Mann gibt dir ganz sicher nicht das nötige Geld.« Er ging in das Schlafzimmer nebenan und kam mit einem Beutel Goldmünzen zurück. »Achthundert.« Er drückte ihr den Beutel in die Hand und grinste. »Wenn du das nicht an einem Abend in viertausend verwandeln kannst, weiß ich, daß du dein Gefühl für die Karten verloren hast.«
Sie lächelte, wog den Beutel in ihrer Hand. »Keine Angst. Übrigens, es gibt da noch etwas, wobei ich deine Hilfe brauche.« Sie stellte ihr Sherry glas ab. »Wenn ich ihm schon den Krieg erkläre, dann kann ich es auch gleich richtig tun. Ich möchte, daß du einen hochsitzigen Zweispänner und zwei Pferde für mich erwirbst. Marcus hat sich ausgesprochen hart über lockere Frauenzimmer geäußert, die ohne Begleitung in Sportkutschen herumfahren; wenn ich also auch so einen Zweispänner fahre, sollte das seine schmeichelhafte Meinung von mir aufs gründlichste bestätigen.«
Sebastian kratzte sich an der Nase und füllte dann sein Glas nach. Judith hatte die Beherrschung verloren, und wenn sie in ihrer Wut erst einmal verrückte Dinge anstellte - das wußte er aus lebenslänglicher Erfahrung dann konnte er kaum etwas tun, um sie von ihrem Pfad abzubringen. Sie würde weitermachen, bis ihr Zorn verraucht war. »Glaubst du, daß es klug ist, so auffallend herausfordernd zu sein?« fragte er ohne große Hoffnung auf Erfolg.
»Das kümmert mich nicht sonderlich«, erwiderte seine Schwester. »Er hält mich für ein berechnendes, betrügerisches Weibsstück, ohne Moral und ohne Prinzipien. Und genauso werde ich mich benehmen.«
Sebastian seufzte. »Wieviel willst du für die Pferde ausgeben?«
»Nicht mehr als vierhundert... es sei denn natürlich, es wäre ein Verbrechen, eine gute Chance ungenutzt vorübergehen zu lassen.«
»Grantham steckt bis zur Halskrause in Schulden... vielleicht könnte ich seine beiden Braunen für etwa vierhundert kaufen.«
»Wunderbar. Nimm das Geld für die Pferde aus dem >Fonds<, und ich ersetze die Summe, sobald ich sie verdient habe.«
Sie küßte ihn auf die Wange. »Und jetzt verlasse ich dich, damit du zu deinem Ausritt im Hyde Park kommst.«
»Ju?«
»Ja?« Sie war bereits an der Tür und drehte sich noch einmal um.
»Gracemere ist in der Stadt.«
»Ahhh! Hast du ihn gesehen?«
»Nein, aber Wellby hat heute morgen in Whites von ihm gesprochen.«
»Ahhh«, sagte Judith noch einmal, als ein Prickeln der Erwartung ihren Rücken hinaufkroch. »Dann können wir ja bald anfangen, Sebastian.«
»Ja«, stimmte er zu. »Wir werden bald anfangen.«
Judith stand einen Moment auf dem Gehsteig und starrte blicklos die schmale Straße hinunter. Der Lakai wartete geduldig. Ein jäher Windstoß hob eine Handvoll Blätter aus
dem Rinnstein und ließ sie um Judith herumwirbeln. Geistesabwesend streckte sie die Hand aus und fing ein Blatt auf. Es war trocken und brüchig und zerbröselte zu Staub, als sich ihre Finger darum schlossen. Wenn das Spiel mit Gracemere ausgespielt war, gäbe es keinen Anlaß mehr, die illegale Farce ihrer Ehe noch länger fortzusetzen. Marcus würde wieder frei von ihr sein. Aber nicht, bevor sie ihm eine Lektion erteilt hatte.
10. Kapitel
Marcus konnte Judiths Stimme durch die Verbindungstür zwischen ihren beiden Schlafzimmern hören. Sie unterhielt sich mit Millie, ihrer Zofe, während diese sie für den Abend ankleidete. Die unerfreuliche Auseinandersetzung am Nachmittag hatte bei Marcus einen bitteren Geschmack im Mund hinterlassen. Es war sein gutes Recht, ein Auge auf die Ausgaben seiner Frau zu haben, trotzdem wurde er das Gefühl nicht los, daß er sich anders benahm, als es sonst seine Art war. Was machte es schon für einen Unterschied, wieviel Judith ausgab? Um sein Vermögen aufzuzehren, würde es mehr als ein einziges Leben voller Extravaganz brauchen. Doch Enttäuschung und Desillusion hatten seine gewohnte Großzügigkeit beeinträchtigt. Es ging ihm im Grunde nicht um Judiths verschwenderische Geldausgaben. Er wollte sie bestrafen. So einfach war das. Kein sehr angenehmer Gedanke.
Marcus befestigte sorgsam eine mit Diamanten besetzte Krawattennadel in seinem blütenweißen Halstuch. »Sie brauchen meinetwegen nicht aufzubleiben, Cheveley.«
»Nein, Mylord.« Der Kammerdiener wandte sich von dem Schrank ab, wo er gerade
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