Bleib ungezaehmt mein Herz
spielen, und das war alles, was die anderen interessierte.
Drei Stunden später hatte Judith fast fünftausend Guineas gewonnen. Genug, um die Devlin-Rubine wieder einzulösen und einen Zweispänner und Pferde zu kaufen. Ein mehr als befriedigendes Ergebnis, das Judith in Hochstimmung versetzte. Sie fühlte sich so erstaunlich belebt, daß sie sich fragte, warum sie so lange gewartet hatte, um wieder ernsthaft mit Spielen zu beginnen. Natürlich aus einem unsinnigen Pflichtgefühl Marcus gegenüber. Sie hatte gedacht, es würde ihn verärgern. Unter den gegebenen Umständen wirklich ein lächerlicher Gedanke. Er ärgerte sich doch sowieso über alles, was sie sagte oder tat. Außer im Bett...
Judith verdrängte den Gedanken, sammelte ihren Gewinn ein und entschuldigte sich vom Makaotisch.
Sebastian war immer noch vollauf am Quinzetisch beschäftigt, wo Stille herrschte und die meisten seiner Mitspieler Masken trugen, um jegliche gefühlsmäßige Reaktion auf das Fallen der Karten zu verbergen. Als Judith erkannte, daß ihr Bruder noch nicht so bald gehen würde, schlenderte sie durch die Salons - jetzt völlig entspannt, nachdem ihr Ziel erreicht war -, bereit, aus reinem Vergnügen zu spielen, falls an einem der anderen Tische ein Platz frei werden sollte.
»Lady Carrington...« Eine Frauenstimme rief sie vom Farotisch. »Hätten Sie Lust, sich uns anzuschließen?«
»Wenn Sie einen Platz für mich haben.« Lächelnd trat Judith an den Tisch. Sie konnte sich nicht erinnern, der Frau schon einmal begegnet zu sein. »Ich kenne leider Ihren werten Namen nicht, Madam.«
»Oh, erlauben Sie mir, die Vorstellung zu übernehmen.« Amelia tauchte plötzlich neben ihr auf. »Lady Barret... Lady Carrington.«
»Ich bin erst gestern in die Stadt gekommen«, erklärte Agnes Barret. »Mein Mann fühlte sich nicht wohl, deshalb hat sich unsere Rückkehr vom Land etwas verzögert.« Sie zeigte auf den Stuhl neben sich. »Bitte, nehmen Sie doch Platz... ich hatte gehofft, man würde uns im Cavendish House miteinander bekannt machen«, fuhr sie fort, als Judith sich setzte, »aber Sie waren so von Bewunderern umlagert, meine Liebe, daß ich nicht an Sie herankommen konnte.« Sie streckte Judith lachend die Hand entgegen.
»Sie schmeicheln mir, Madam«, erwiderte Judith und ergriff die ausgestreckte Hand. Lady Barret starrte Judith dabei mit einer Eindringlichkeit an, die die übrigen Anwesenden völlig auszuschließen schien. Judith lief eine Gänsehaut über den Rücken, und ihre Kopfhaut zog sich unangenehm zusammen. Das Murmeln der Stimmen, die Ansagen der Croupiers verblaßten zu einem gedämpften Summender helle Glanz der massiven Kronleuchter schien sich plötzlich zu trüben, die Kerzenflammen vor ihren Augen zu verschwimmen.
Es war, als stände sie im Bann irgendeiner Hexerei. Und dann lächelte Lady Barret und zog ihre Hand zurück. »Sie sind also eine Glücksspielerin, Lady Carrington. Teilt Ihr Bruder diese Leidenschaft?«
Judith zwang sich, unbefangen zu antworten, während sie überlegte, was um alles in der Welt mit ihr los war. Was war das für ein abstruses Gefühl, das sie plötzlich gepackt hatte? »Er ist am Quinzetisch«, erwiderte sie und legte ihre Jetons neben die Karten, die man ihr ausgeteilt hatte.
Faro war im Grunde ein reines Glücksspiel, und falls ihre Glückssträhne abreißen sollte, würde sie an einen anderen Tisch überwechseln. Doch Judith konnte sich beim besten Willen nicht konzentrieren, und bevor sie es bemerkte, hatte sie bereits mehr verloren, als sie eigentlich hatte riskieren wollen. Wütend auf sich selbst entschuldigte sie sich und erhob sich von ihrem Platz.
»Ihr Glück wird bald zurückkehren, Lady Carrington, da bin ich mir sicher«, sagte ihre Nachbarin und legte ihr eine Hand auf den Arm, um sie zurückzuhalten.
»Nicht, wenn der Teufel auf meiner Schulter sitzt.« Judith zitierte die Entschuldigung, die ihr Vater immer geäußert hatte, wenn er schlechte Karten bekam.
Lady Barrets goldbraune Augen flackerten auf, und alle Farbe wich aus ihrem Gesicht, so daß die Flecken von Rouge deutlich von ihren blassen Wangen abstachen. »Das habe ich schon lange niemanden mehr sagen hören.«
Judith zuckte die Achseln. »Ist es so ungewöhnlich? Ich dachte, das wäre ein allgemein gebräuchlicher Ausdruck... oh, Sebastian.« Sie drehte sich erleichtert zu ihrem Bruder um. »Ich glaube, du kennst Lady Barret noch nicht.«
Sie beobachtete, wie ihr Bruder lächelte und sich
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