Bleib ungezaehmt mein Herz
nicht deine Chancen bei der kleinen Moreton ruiniert«, murmelte Lady Barret gegen seine Lippen, während sie seinen Rücken streichelte. »Ein Vermögen von dreißigtausend Pfund sollte man nicht verachten, mein Geliebter.«
»Nein«, stimmte er zu. »Besonders nicht, wo wir beide einen so teuren Geschmack haben.« Er ließ seine Zunge über ihre Lippen gleiten. »Einen so exquisiten, so vollkommen aufeinander abgestimmten Geschmack, meine Süße.«
Judith griff nach der feingeschwungenen Schachfigur und liebkoste sie eine Sekunde, bevor sie sie auf das Feld vier Schritte von der Dame entfernt schob. Sie grinste Marcus spitzbübisch an, als sie seine Verwirrung sah. Es war keine übliche Eröffnung. Judith schlang die Arme um ihre angezogenen Knie, fühlte die Glut des Feuers auf ihrer rechten Wange.
»Was zum Teufel bedeutet das?« wollte Marcus wissen.
»Wenn du den gleichen Gegenzug machst, wird das Damengambit daraus. Dazu kommt es nicht sehr häufig, aber es verspricht ein interessantes Spiel.«
»Und was, wenn ich es nicht tue?«
»Du mußt, wirklich. Es ist der einzig logische Zug für Schwarz.«
Marcus streckte die Beine aus und lehnte sich gegen einen Fußschemel zurück. Sie saßen beide auf dem Fußboden - Marcus nur noch mit Hemd und Kniehosen bekleidet. Seine Jacke, Halstuch, Strümpfe und Schuhe lagen im Zimmer verstreut.
»Innerhalb der nächsten halben Stunde wirst du mir auch noch mein Hemd und meine Hosen abgewonnen haben«, prophezeite er resigniert.
Judith kicherte. »Eine verlockende Vorstellung.«
»Ich kann mir nicht helfen, aber ich finde die Spieleinsätze etwas ungleich verteilt, da du in den letzten zwei Stunden nicht mehr als ein Haarband und deine Schuhe verloren hast.«
»Nun, ich kann dir ja einen Vorteil verschaffen, indem ich meinen Springer aus dem Spiel nehme.« Sie entfernte ihr Pferd vom Brett.
»Was ist mit meinem Stolz?« knurrte er. »Du bist wirklich teuflisch in diesem Spiel, Judith.«
»Aber der Gewinn macht Spaß«, erwiderte sie grinsend.
»Das würde er, wenn ich nicht der einzige wäre, der seine Kleider ausziehen muß.« Er schob seinen Bauern vier Felder weiter. »So. Und was jetzt?«
»Laß uns lieber Piquet spielen. Vielleicht sind zwei Stunden Schach genug.« Wieder ergriff sie eine der Schachfiguren und hielt sie ans Licht. Der blasse Marmor erglühte, transparent schimmernd und wie lebendig durch die feinen Farbstreifen in seinem Inneren. »Sie sind wundervoll. Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll.«
»Du könntest zum Beispiel anfangen, Figuren und ein paar Kleidungsstücke zu verlieren«, schlug er vor.
»Es fällt mir schwer, beim Schach zu verlieren. Laß uns lieber Piquet spielen.«
»Moment mal! Willst du mir etwa sagen, du wirst absichtlich verlieren, um meinen männlichen Stolz wieder aufzurichten?«
»Wenn es sein muß...« Sie lachte ihn verführerisch an.
»Was soll ein Mann nur mit solch einer Ehefrau anfangen!« Marcus beugte sich vor, packte Judith an den Oberarmen und zog sie über das Brett auf seinen Schoß.
»Mit ihr Piquet spielen.« Sie zeichnete die Umrisse seiner Lippen sanft mit dem Zeigefinger nach. »Sonst komme ich nie aus meinen Kleidern heraus.«
Er sagte eine Weile nichts, betrachtete nur schweigend ihr emporgewandtes Gesicht, den lächelnden Mund, das schwelende Feuer in ihren goldbraunen Augen.
»Ich spiele Piquet nicht so gut wie Schach«, erklärte sie. »Und du bist geschickt mit Karten.«
»Und dennoch bezweifle ich, daß ich deine Erfahrung habe, verehrte Gattin.«
»Vielleicht nicht«, gab sie zurück. »Aber Not macht erfinderisch.« Ein Schatten verdunkelte plötzlich ihre Augen.
»Erzähl mir von deinem Vater.« Die Bitte kam ohne bewußte Entscheidung, sie ergab sich einfach aus dem bisherigen Verlauf des Abends.
Judith verbrachte nur selten einen Abend zu Hause, aber nach dem Dinner hatte Marcus sie in der Bibliothek gefunden, wo sie in den Regalen nach einem Buch suchte, um es im Bett zu lesen. Sie hatte erklärt, sie wäre müde und hätte keine Lust auf die Gesellschaft der Denholms, und von da an hatten sich die Dinge zwanglos weiterentwickelt. Und jetzt schien die intime Stimmung des Abends, das sanfte Knistern der Flammen im Kamin, und das sinnliche Vergnügen, das sie einander bereiteten, etwas an sich zu haben, was es für Marcus natürlich und gleichzeitig unumgänglich machte, in Bereiche vorzudringen, die sie normalerweise mit keinem Wort erwähnten.
Judith schmiegte sich an
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