Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
kriegen wir erst laufende Nummern. Wir müssen sie dann zusammen abgeben. Überdies haben wir erst in zehn Tagen die Gewißheit zur Reise, denn es könnte leicht sein, daß die Fahrt schon ausverkauft ist. 20 Fahrten sind bereits ausverkauft.
Rheinfahrt der Familien Helm und Jentzsch, hinten: Lina Helm, Hans Helm und Leni Jentzsch,
vorn: Emil und Helene Jentzsch
Erika schrieb heute eine Karte, es geht ihr schon besser. Warum schickst Du die Strümpfe nicht mit? Lehmanns Else hätte sie mit mir schon weggestopft. Gestern war Maschkes Lotte unten. Sie geht am Montag
ins Krankenhaus (Lunge) und scheint es viel schlimmer zu sein. Sie weinte sehr und tut mir furchtbar leid. Sie ist so ein offener Mensch und sympathisch. Es werden doch auch so manche Hoffnungen und Zukunftspläne zu Wasser. Wir wollen nur recht den Daumen drücken für sie.
Tags nach Deiner Abreise war Elfriede hier. Sie hatten Dich gesehen und wollte sie Dir ein Angebot machen für eine Saisonstellung in einem Ostseebade. Sie selbst hat sich darum beworben. Es wird dort Küchenpersonal sowie Zimmerpersonal gesucht. Gehalt gäbe es 60-90 M. Ich weiß ja nun nicht, ob das für Dich in Frage kommt. Da müßtest Du am 15. März kündigen. Momentan hat sie eine Halbtagsstellung bei einer 19-jährigen Frau, bekommt monatlich 20 Mark. Sonst nimmst Du nächstes Jahr einmal eine Saisonstellung.
Ich muß leider aufhören, denn Papa will meinen Brief fortbringen. Ich muß zu Hause bleiben, weil wir keinen Schlüssel weiter haben. In Eile grüßt Dich nun recht herzlich
Deine Mutti, sowie Papa
Leipzig, den 19.3. 36
Liebe Leni!
Deinen lieben Brief haben wir gestern erhalten und Du wirst vergeblich auf den unsrigen gewartet haben. Na, das ist ja auch nicht so schlimm, bekommst ja außer der unsrigen noch mehr Post. Das Bild, was ich Dir schickte, finde ich ganz natürlich und nett, dick finde ich Dich nicht, ein Bindfaden bist Du Gott sei Dank nicht. Das andere, ich hatte zwei machen lassen, hat sich Helm erbeten. Er war am Sonntag mit uns bei Erika. Im Ganzen waren am Sonntag 16 Mann da, darunter die ganze Schneeschuhriege. Letztere hatten sogar gesungen. Erika befindet sich ganz wohl. Das dicke Ende, das beweglich machen des Beines steht ihr noch bevor. Der Verband ist ab, es ist abgeheilt, aber noch dick und steif. Am Mittwoch war Frau Hierholzer mit Kindern und einer Mutter da und eine Kollegin. Erika läßt Dich schön grüßen und warum Du ihr die Strümpfe nicht geschickt hast. Sie denkt, daß sie Ostern wieder zu Hause ist. Bei schönem Sonnenschein werden die Betten auf den Balkon gefahren. Im Allgemeinen hält man es dort aus. Lisa ist ganz braun und auch erholt wiedergekommen. Vor allem schmeckt ihr das Essen jetzt und das ist viel wert. Wer sie anguckt, mußte lachen. Annemarie Faber ist auch einmal bei Erika gewesen und alle dachten, es kommt ein Mohr herein.
Aus Deinem ‘Pfingsten kommen’ werde ich nicht recht klug. Ja, weiß Helm es nicht? Soll er es nicht wissen, und warum? Ich glaube, Du bist mir aus meinem letzten Brief noch ein paar Antworten schuldig! Und gerade das möchte ich wissen und muß es auch wissen, da vieles davon abhängt.
Ich hätte mich gefreut, wenn Du hundert Mark hättest mit heimbringen können, doch nun muß es auch so gehen. Laß Dein blaues Kleid nur recht nett machen.
Ist Eure Anni nicht zu jung für die Jugendherberge, ich meine, es fehlt ihr doch die nötige Umsicht für eine solche Stellung. Was bekommt sie denn dort für Gehalt? Ich dachte schon, Fräulein Töpel würde sich die Anni für Deinen Posten einrichten und was meint sie, daß Du Pfingsten gehst? Wer wird denn Deine Stelle einnehmen? Wenn Du Ostern nicht kommst und es wäre ja auch schade ums Fahrgeld, wenn Du Pfingsten sowieso nach Hause kommst. Da kann ja Helm Ostern nach Schandau fahren. Da kann er ja mal sein Geld verfahren. Ich glaube, Du wirst hier nicht viel vergessen. Na, wirst ja sehen. Nun seid nächste Woche nicht zu fleißig oder recht fleißig. Sonst sind wir gesund und hoffen von Dir dasselbe. Verleb Deinen Sonntagsbummel recht gut und sei herzlich gegrüßt
von Deinen Eltern und Lisa
Bei Kätchen hast Du schon richtig vermutet.
Hat denn Fräulein Dr. Goldacker einmal von sich hören lassen?
24.März 1936
Liebe Leni!
Du wirst am Sonntag wieder vergeblich auf Mutters Brief gewartet haben. Am Sonnabend konnte ich es nicht mehr schaffen und gestern d.h. am Sonntag wurde auch nichts daraus, denn ich hatte
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